Karfreitag am Sperrzaun

Gespeichert von Matthias-W Engelke am

Gedanken zum Blockadegottesdienst am Fliegerhorst Büchel in der Eifel

Jesus am Kreuz von Golgatha – Es ist der Ausdruck größter göttlicher Ohnmacht.

Büchel und die Atomwaffen – Hier lagern Waffen der Macht.

Unvorstellbare Ohnmacht auf der einen Seite, kaum vorstellbare Macht auf der anderen. Es ist dieser Widerspruch, der beim Gottesdienst vor den Sperrzäunen am Haupttor des Fliegerhorstes Büchel in der Eifel spür- und erlebbar wird: Es ist Karfreitag am Sperrzaun.

Jesus Christus am Kreuz - festgenagelt, nackt, dem Schmerz, den Blicken und dem Hohn der Menschen preisgegeben. „Der allmächtige Gott, zum Menschen geworden, lässt alle Macht los, er ruft nicht auf zum Aufstand, sondern er stellt sich dieser Ohnmacht“, beschreibt dies im Gottesdienst Dr. Andreas Hämer, evangelischer Ruhestandspfarrer aus dem saarländischen Großrosseln. Darum würden Christen an Karfreitag diesen Gottesdienst am Fliegerhorst Büchel feiern. Und darum würden sie den Zugang zu dem Bundeswehr-Stützpunkt blockieren. „Mit unserem Gottesdienst feiern wir diese Ohnmacht Christi, der für uns Gewalt und Unrecht erduldet hat, und stellen uns damit der Macht und dem Unrecht in den Weg“, macht der evangelische Pfarrer Berthold Keunecke aus Herford deutlich.

Am Zaun in Büchel„Wir stehen hier vor dem angeblich letzten Atomwaffenlager in Deutschland. Und diese angeblichen Atomwaffen in Deutschland sollen nun modernisiert werden. Die Zerstörungskraft dieser Waffen, sie ist kaum vorstellbar. Sie werden hier schwer bewacht. Sie sind die Spitze des Sicherheitsdenkens, ja des Versuches, die Welt mit Gewalt zu ordnen und zu beherrschen.“ Andreas Hämer findet im Gottesdienst klare Worte für dieses Gefühl von Ohnmacht, das die Menschen, die an diesem Karfreitag vor das Haupttor gezogen sind, bewegt.

„Bleibet hier und wachet mit uns.“ Hier am Sperrzaun, umgeben von Wachsoldaten und der Polizei, gewinnen diese Liedverse aus Taizé plötzlich eine ganz andere, eine ganz besondere Bedeutung. Doch dies gilt nicht nur für die Lieder, dies trifft genauso für die Bibeltexte aus der Passionsgeschichte zu, die hier gelesen werden.

Was sagt uns heute Judas Ischariot, der Jesus verriet? „Warum machen Menschen Dinge, von denen sie wissen, dass sie nicht richtig sind?“ Für Berthold Keunecke keine Frage, die sich nur damals stellte. Sondern etwas, dass auch heute noch aktuell ist. Denn: „Atomwaffen sind ein Verbrechen. Wie können Politiker dies hier erdulden, wie können Soldaten einfach so hier ihren Dienst tun?“

Oder die Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane. Auch hier ein Geschehen, dass ins Heute weist. „Jesus lässt sich gefangen nehmen, ohne Gegenwehr, ohne Widerstand durch Gewalt. Und zeigt so auf, wie wirklich Frieden geschafft werden kann in dieser Welt“, ist der Pfarrer überzeugt.

Oder schließlich die Anklage Jesu vor dem Hohen Rat. Für Berthold Keunecke Anlass genug, um immer wieder zu fragen: „Wie hält man das Unrecht der Welt noch aus? Wieso wird beispielsweise für die Modernisierung für Atomwaffen Geld ausgegeben, das doch anderswo so dringend gebraucht wir?“

Es sind wenige Gottesdienstbesucher, die die Passion Christi, wie sie im Markus-Evangelium berichtet wird, an diesem Karfreitag am Fliegerhorst Büchel hören. Sie feiern im Angesicht des Sperrzauns gemeinsam das Abendmahl, sie schweigen zur Todesstunde Christi und sie gehen der Frage nach, was Kraft geben kann angesichts einer spürbaren Ohnmacht. Bevor sie nach einer guten Stunde das Tor wieder freigeben und die Straße räumen, die ihnen von der Polizei für diesen Gottesdienst bereitwillig eingeräumt wurde.

Büchel 65 – an bis zu 65 Tagen will die Friedensbewegung im Vorfeld der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York immer wieder vor dieses Tor kommen und den alltäglichen Dienst auf dem Fliegerhorst stören. „Mit diesem Gottesdienst reihen wir uns ein in diese 65 Tage und wollen so ein Stück weit Verbote übertreten, um die Ernsthaftigkeit dieses Protestes auszudrücken“, so umschreibt dies Pfarrer Berthold Keunecke am Karfreitag und dem Gottesdienst am Sperrzaun.

Dieter Junker