Fastenaktion - Die Andachten - Gebete

Gespeichert von Matthias-W Engelke am

was wir tun können

was wir tun können                                   ist viel
aber was wir unterlassen können             noch mehr

unterlassen können wir,                            dir, Gott, Widerstand entgegen zu setzen
und zulassen                                            was du durch uns wirken willst

das ist mehr                                              als wir je aus eigenem Vermögen tun konnten
und, ach, wieviel weniger!                        was andere leiden läßt!
 


*


die Reichen

die Reichen
verarmen, wenn ihr Wohlstand nicht ausreicht um den Hunger zu besiegen

die Starken
sind schwach, wenn ihre Stärke nicht so umfassend ist, dass sie auf ihren Gebrauch verzichten können

die Großen
stürzen sich ins Normalmaß zurück, wenn ihre Größe nicht so groß ist, dass sie die Perspektive des Geringsten einnehmen können

was schaffst du für einen Reichtum
aus unserem Ungenügen, wo wir deiner Güte in unserem Leben Gestalt geben

was bewirkst du für Unzerstörbares
aus unserer Schwachheit, wo wir an deinem Gebot der Liebe keine Abstriche zulassen

was für große Freude erweckst du unter uns
aus unseren sorgevollen Herzen heraus, wo wir uns in deiner Liebe untereinander einüben


dafür danken wir
und bitten:

für diese arme Welt
für die ganze Welt
und darum auch für uns:
um deinen Frieden


*
 

Der Hirten unverschämter Lobgesang
für Wolfgang Sternstein

Wo der Rückenwind
die Schlüpfrigen
ins Meer treibt
treibt es uns
uferwärts
die Tränen ins Gesicht

Wo der Fahrstuhl
die Leichtgewichtigen
nach oben hievt
kontrollieren wir
kellerwärts
die Feuerleitern

Wo der Schnellzug
die Spurenverwischer
vor die Kameras versetzt
halten wir
freiheitswärts
die Notausgänge frei



Wir sprechen von Hoffnung
unter Verzweifelten
verkünden den Frieden
unter Bomben
leben Gerechtigkeit
hinter Gittern

Und wo es heißt "Frieden, Frieden" aber ist keine Feindesliebe
sagen wir: das ist Krieg
Wo weggesperrt und zum Tode verurteilt wird
fällen wir das Urteil: Das Unrecht läuft frei herum
Wo es heißt: Vertraut, denn wir sind gegen die Bösen, also gut
halten wir uns nüchtern: Ein Wahn nimmt gefangen

So leben wir -
kenntlich machend
die verkehrte Zeit -
die ins Heil gekehrte Zeit:

 


Wo die Leichtgläubigen
sich ihr Kapital rauben lassen
leben wir
schuldenfrei
als Gottes Gläubiger

Wo die Redseligen
ihre Seele zur Markte tragen
handeln wir
vom Wert befreit
längst mit Gottes neuer Güte-Währung

Wo die Angepassten
noch auf die ihnen planvoll vorenthaltenen Anteile hoffen
verteilen wir
als Gottes Anteilseigner
seine Friedensdividende

als die Bankrotteure dieser Welt
die Kapitalisten Gottes
 

*
 

Preisliste
in memoriam Dorothee Sölle

in Zeiten des Krieges
stören Friedensstifterinnen

in Zeiten der Entzweiung
fördern Versöhnerinnen Streit

in Zeiten der Lieblosigkeit
sind die, die reinen Herzens sind, unnachgiebig

in Zeiten der Habsucht
sind die Barmherzigen kompromisslos

in Zeiten der Gewalt
heißen die Gewaltfreien Verräterinnen

in Zeiten der Zerstörung
werden die Tröstenden zu Kollaborateuren

wo der Reichtum verherrlicht wird
gelten die, die sich bedürftig halten, als abgestumpft

wo der Stärkere sein Recht durchsetzt
stören die nach Gerechtigkeit Hungernden

Selig seid ihr, sagt Jesus, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet, wenn sie damit lügen



*
 

Quelle: Matthias Engelke: im Roten Meer. Gebete V, Steckbrief Nr. 15, Verlag der Buchhandlung Matussek & Sohn, Nettetal 2005


*
 

Ich habe die Welt überwunden

der Schwache behält die Oberhand?
der Geduldige bleibt? die Güte hat das letzte Wort?

der Starke, der auf Kosten anderer lebt richtet sich selbst zu Grund?
und der Hochmütige sorgt selbst für seinen Fall?

hat der Mensch die beste Festung
der seine Türme abreißt und die Mauern schleift?

und seinem Feind sagt:
ich segne dich?

uns wird keine Last von der Schulter genommen
aber wir werden davon befreit, anderen das Leben schwer zu machen

uns wird kein Stein aus dem Weg geräumt
aber wir werden dazu befreit, keine Stöcke zwischen die Beine zu werfen

uns wird keine Träne erspart
aber wir werden davon befreit, andere zum Heulen zu bringen

Christus unter uns bewirkt:
dass die Tränen anderer getrocknet werden

die Steine anderen aus dem Weg geräumt werden
und die Last anderer mitgetragen wird

und siehe da: wer verliert gewinnt
wer aufgibt bekommt
wer leidet lebt
wer Jesus nachfolgt bleibt
 


*

 

Büchelgebet (2002-2008)
der Gegner


I

der Gegner, den wir heute lieben
    ist nicht Morgen schon mein Freund
aber heute schon nicht mehr mein Feind
ich bin ihm nicht mehr feind

die Rache, auf die wir heute verzichten
    wirkt nicht Morgen schon Versöhnung
aber heute schon das Ende der Vergeltung
denn ich vergelte nicht mehr

die Bosheit, die wir heute unterlassen
    schafft nicht Morgen schon den Frieden
aber heute schon ist der Krieg vorbei
denn nun bekriege ich nicht mehr

II

und der Friede, den wir heute leben
    ist nicht, weil wir ihn angefangen haben
andere haben damit begonnen
einander nicht mehr zu bekriegen

die Versöhnung, die wir heute leben
    ist nicht, weil wir sie erfunden hätten
andere haben angefangen
uns zu vergeben

die Freundschaft, die wir heute leben
    ist nicht, weil wir die Begründer sind
andere haben sie gegründet
und uns Treue gezeigt


III

darum bitten wir um
Güte, die das Böse überwindet – so dass auch die Atomwaffen verschwinden
um Liebe, die den Frieden bringt – so dass die Unterstützung für Tod  und Verderben unterbleibt
um Erbarmen, die die Not besiegt – so dass die Güter den Armen zukommen
 


*
 

Gott wird Mensch

Gott wird Mensch
Mensch in Jesus von Nazareth

Gott rächt sich mit Güte

erklärt uns Kriegstreibern den Frieden
schlägt unter uns Eingemauerten sein Zelt auf

beendet den Streit um das Recht:
denn er verzichtet auf die Anklage

beendet den Kampf um die Wahrheit:
lebt sie selbst

beendet die Sucht nach Sicherheit
macht sich angreifbar

Gott wird Mensch
Mensch in Jesus von Nazareth


*
 

Das absurde Absurde

die Absurdität der Kriege
Bürgerkriege
Umweltzerstörungen
und Ausbeutung
kann einen schier um den Verstand
die Hoffnung
und den Glauben bringen

dann ist aber auch das genauso absurd
der Neuanfang des Lebens bei jeder Geburt
die mutigen, lebensvollen Blicke der Kinder
die gütigen Worte alter Menschen
die tröstende Hand bei einem Sterbenden

wenn das eine zu Tode erschrecken kann
kann das andere zu Leben erwecken


*



liegt es denn an mir

liegt es denn an mir,
wenn Kinder verhungern?

bin ich es denn schuld,
wenn Krieg ausbricht?

was hab ich denn damit zu tun,
wenn Kinder obdachlos werden?

war ich dabei,
als das Unglück in Fukushima passierte?

was geht mich das an?

genausoviel
wie ich wegsehe

genausoviel
wie ich weghöre

genau das Maß,
das ich nicht wahrhaben will

denn, was ich nicht wahrhaben will,
erschreckt mich ja doch

was ich nicht an mich heranlassen will
zeigt mir doch, wie verhärtet ich schon bin

womit ich nichts zu tun haben will
offenbart ja nur, wieviel Unnützes im eigenen Leben stattfindet

darum bitten wir:
befreie uns Herr, aufzumerken,
wo Gewalt – Lüge und Eitelkeit Menschen irre macht
befreie uns zur Güte deiner Liebe