Ukraine-Krieg und Folgen

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Liebe Friedensinteressierte,

beiliegend einige Beiträge zum Ukraine-Krieg:

1. n tv: Ukraine-Krieg im Liveticker

2. taz: Ukrainische Geländegewinne: Offensive in Zeitlupe

3. RND: Für 700 Millionen Euro: Deutschland unterstützt die Ukraine mit neuem Waffenpaket

4. Freitag: L. Herden: Ist die NATO ein globaler Akteur, dem die Eskalationskontrolle zu entgleiten droht?

5. infosperber: A. Zumach: Streubomben für die Ukraine missachten humanitäres Völkerrecht

6. Freitag: L. Herden: Präsident Bidens Streumunition riecht nach Kompensation für Kiew

7. Sicherheitsbulletin: J. Hübschen: Die Eskalationsschraube dreht sich weiter

8. Eurotopics: Streumunition für Kyjiw: Richtig oder fahrlässig?

9. Aufschrei: Keine Streumunition für Ukraine! Bundesregierung muss sich gegen Lieferung und Einsatz aussprechen!

10. Tagesspiegel: Ukraine-Invasion Tag 492: „Es kotzt mich an" – Ukrainischer Generalstabschef gibt Wut-Interview

11. Washington Post: CIA director, on secret trip to Ukraine, hears plan for war's endgame

12. The Guardian: Secret US-Russia talks over Ukraine 'not sanctioned by Biden administration'

13. FR: Brasilien-Experte: „Wir sind keine Schuljungen, die sich von Kolonialmächten sanktionieren lassen"

14. Sonnenseite: Repowering Module für die Ukraine

15. An appeal to the European Commission and the European Parliament - protection of Russian conscientious objectors, deserters ...

 

https://www.n-tv.de/politik/10-39-Ostsee-wird-jetzt-effektiv-zum-NATO-Meer-werden--article23143824.html

12.07.2023

Ukraine-Krieg im Liveticker

15:02 Kuleba: Weg zum Sieg der Ukraine "rein militärisch" Der Weg zu einem Sieg der Ukraine über Russland sei "rein militärisch", sagt Außenminister Dmytro Kuleba Radio Svoboda. Um Verhandlungen zu ermöglichen, müsse Russland zunächst seine Truppen aus der Ukraine abziehen.

Er bezeichnet auch die Lieferung von F-16-Kampfjets als einen "sehr schwierigen technischen Punkt". Die Ukraine könne die Kampfjets bis März 2024 erhalten, wenn die Ausbildung im August beginne. (...)

(...)

13:42 Deutschland beerdigt Plan für Leopard-Reparatur in Polen

Die Bundesregierung zieht den Plan zurück, in der Ukraine beschädigte Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in Polen reparieren zu lassen. Die Absicht, dafür in Polen ein Wartungszentrum aufzubauen, sei verworfen worden, Gespräche mit der Regierung in Warschau hätten nicht zu Ergebnissen geführt, teilt das Verteidigungsministerium in Berlin mit.

Die Panzer Leopard 2A5 und Leopard 2A6 würden nun in Deutschland und wahrscheinlich auch in Litauen wieder instand gesetzt. Deutschland hat der Ukraine bislang rund 20 der Geräte zur Verfügung gestellt.

(...) 11:17 Selenskyj fordert Sicherheitsgarantien In Vilnius tagt der NATO-Ukraine-Rat gegen 13 Uhr zum ersten Mal. Bei den Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitglieder zielt der ukrainische Präsident Selenskyj auf Sicherheitsgarantien für sein Land auf dem Weg in die NATO ab.

Zudem wolle er über neue Waffenlieferungen und über die Einladung zu einem NATO-Beitritt sprechen und Klarheit über die Bedingungen dafür schaffen, sagt Selenskyj. Er verstehe es so, dass eine Einladung erfolgen könne, wenn die Sicherheitslage es erlaube.

(...)

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2. taz: Ukrainische Geländegewinne: Offensive in Zeitlupe

https://taz.de/Ukrainische-Gelaendegewinne/!5943376/

10. 7. 2023, 19:01 Uhr Ukrainische Geländegewinne: Offensive in Zeitlupe

Nach fünf Wochen Gegenoffensive gegen Russland verzeichnet die Ukraine nur geringe Geländegewinne.

Der lange Atem ist entscheidend. BERLIN taz | Am 8. Juni begann die lang erwartete ukrainische Gegenoffensive zur Befreiung der russisch besetzten Gebiete im Süden und Osten des Landes. Knapp fünf Wochen später, zum Nato-Gipfel, sind die bisherigen Ergebnisse auf den ersten Blick bescheiden.

Auf 169 Quadratkilometer im Süden und 24 Quadratkilometer im Osten bezifferte am Montag früh der ukrainische Generalstab die bisherigen Geländegewinne, insgesamt 193. Damit verringerte sich der russisch besetzte Anteil am ukrainischen Staatsgebiet gerade mal von 17,55 auf 17,51 Prozent.

„Langsamer als erwünscht" komme man voran, gab Ukraines Präsident Wolodimir Selenski am 21. Juni in einem BBC-Interview zu. Aber er warnte: „Manche Leute halten dies für einen Hollywood-Film und erwarten Ergebnisse sofort. Aber so ist es nicht." Die Ukraine lasse sich nicht unter Druck setzen. (...)

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3. RND: Für 700 Millionen Euro: Deutschland unterstützt die Ukraine mit neuem Waffenpaket https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-deutschland-schnuert-kiew-neues-waffenpaket-fuer-700-millionen-euro-4IDBBEVV5JISTBQLKQQRBXHIJQ.html

Nato-Gipfel in Litauen Für 700 Millionen Euro: Deutschland unterstützt die Ukraine mit neuem Waffenpaket 11.07.2023, 11:09 Uhr

Vilnius. Deutschland unterstützt den Abwehrkampf der Ukraine gegen die russischen Angreifer mit weiteren Waffen, Munition und militärischer Ausrüstung im Wert von knapp 700 Millionen Euro.

Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Auftakt des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius an. Unter anderem soll die von Russland angegriffene Ukraine weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5 und fünf Bergepanzer aus Industriebeständen sowie zwei Abschussgeräte für Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr bekommen.

Hinzu kommen 20.000 Schuss Artilleriemunition und 5000 Schuss Nebelmunition sowie Aufklärungsdrohnen und Mittel zur Abwehr von Drohnenangriffen. Außerdem erhält die Ukraine Ausrüstung zur Minenabwehr und ein Sanitätspaket mit Komponenten für ein Feldlazarett. (...)

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4. Freitag: L. Herden: Ist die NATO ein globaler Akteur, dem die Eskalationskontrolle zu entgleiten droht?

https://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/vilnius-die-nato-ist-mit-ihrer-gipfel-agenda-um-den-grossen-fussabdruck-bemueht

Ist die NATO ein globaler Akteur, dem die Eskalationskontrolle zu entgleiten droht? Vilnius-Gipfel

Die Allianz ist jetzt schon dabei, die ukrainische West- als NATO-Ostgrenze einzustufen und zu behandeln. Das birgt enorme Risiken und verlangt Ressourcen, von denen die Öffentlichkeit in den Mitgliedsstaaten wenig weiß

Lutz Herden

Es ist bereits der vierte Gipfel seit Kriegsbeginn in der Ukraine, den die NATO diesmal in Litauen veranstaltet und einen Aufschlag nach dem anderen landen will – sei es in Sachen Ukraine, Wehretat, Aufrüstung und Kriegsfähigkeit, China und Asia-Pacific- Präsenz oder Truppenstationierung an der Ostflanke. Es wird eingeschworen auf eine globale Agenda und einen ebensolchen Aktionsradius.

Erinnerungen an 1999 und den Jubiläumsgipfel seinerzeit in Washington wie der dort verabschiedeten Out-of-Area-Strategie werden wach. Deren Bilanz allerdings fällt im Rückblick eher bescheiden aus, denkt man nur an Afghanistan, Nordafrika (Libyen) oder den Nahen Osten, speziell den Irak und Syrien, (...).

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5. infosperber: A. Zumach: Streubomben für die Ukraine missachten humanitäres Völkerrecht

https://www.infosperber.ch/freiheit-recht/menschenrechte/streubomben-fuer-die-ukraine-missachten-humanitaeres-voelkerrecht/

Streubomben für die Ukraine missachten humanitäres Völkerrecht

Andreas Zumach

10.07.2023

Die Beschwichtigungen der USA und der Ukraine sind grob verharmlosend und irreführend. Das zeigt die Geschichte der Streubomben.

Nicht explodierte Sprengkörper oder «Blindgänger» aus Streubomben, welche die USA vor über fünfzig Jahren in Vietnam, Laos und Kambodscha sowie vor zwanzig Jahren im Irakkrieg eingesetzt hatten, fordern noch heute jährlich hunderte Todes- und Verstümmelungsopfer unter der Zivilbevölkerung der betroffenen Länder.

Humanitäre Hilfsorganisationen wie Handicap International, die sich bei der Räumung dieser Munition engagieren, rechnen mit bis zu weiteren fünfzig Jahren bis zu ihrer vollständigen Beseitigung. Eine ähnliche, möglicherweise jahrzehntelange Gefährdung droht der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Verantwortlich dafür ist zunächst die Streumunition, welche die russischen Angreifer seit Kriegsbeginn in hunderten wohldokumentieren Fällen, aber auch die ukrainischen Verteidigungsstreitkräfte in bisher noch deutlich geringerem Umfang einsetzten. Die jetzt von der Biden-Administration geplante Lieferung von Streubomben an Kiew wird die ukranische Zivilbevölkerung noch stärker gefährden.

In der Realität lag die Blindgängerquote viel höher als nun angegeben

Bis zu 3,7 Millionen über zwanzig Jahre alte Streubomben mit je 72 oder 88 Sprengkörpern könnte das Pentagon der Ukraine zur Verfügung stellen. Die von Präsident Bidens nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan demonstrierte «Zuversicht», von diesen insgesamt rund 300 Millionen Sprengköpfen würden lediglich «weniger als 2,35 Prozent» als nicht explodierte Blindgänger liegenbleiben, ist grob verharmlosend und irreführend.

Denn das wären immer noch rund sieben Millionen Blindgänger. Zudem sind die 2,35 Prozent das Ergebnis von Labortests. In realen Kriegen, in denen diese US-Streubomben in den letzten zwanzig Jahren zum Einsatz kamen – Irak, Libyen oder durch Saudiarabien im Jemen – lag die Blindgängerquote zwischen 20-40 Prozent.

Die Biden-Administration hat sich vor ihrer Entscheidung zur Lieferung von Streubomben an die Ukraine «schriftliche Zusicherungen» des Verteidigungsministeriums in Kiew über die Verwendung dieser Bomben geben lassen, die der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, am Wochenende so zusammenfasst: «Keine Nutzung auf russischem Gebiet; keine Nutzung in Stadtgebieten; strenges Monitoring der Einsatzzonen; Priorisierung dieser Zonen bei der Minenräumung; transparente Berichterstattung an Partner».

Dokumentierte Einsätze in städtischen Zonen

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksji Resnikow zitierte die Zusicherung seiner Regierung an Washington mit folgenden Worten:

«Streumunition wird nur auf Feldern eingesetzt werden, wo es eine Konzentration russischen Militärs gibt. Sie wird genutzt, um Verteidigungsstellungen des Feindes mit minimalem Risiko für das Leben unserer Soldaten zu durchbrechen. Die Ukraine wird den Einsatz dieser Waffen und ihrer Einsatzorte genau dokumentieren. Auf Grundlage dieser Dokumente werden nach der Beendigung der Besatzung unseres Staatsgebietes und nach unserem Sieg diese Gebiete für Minenräumung priorisiert. Dies wird uns ermöglichen, das Risiko von unexplodierten Submunitionen zu eliminieren.»

Nach allen bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz von Streubomben und der Beseitigung von Blindgängern im bisherigen Verlauf des Ukrainekrieges sowie während und nach vergangenen Kriegen sind grösste Zweifel an diesen Zusicherungen angebracht.

Erstens erfolgten die bislang dokumentierten Einsätze von Streubomben durch die ukrainischen Streitkräfte überwiegend gegen städtische Zonen zur Bekämpfung der dortigen russischen Besatzungssoldaten. Dabei kam es zu Opfern unter der ukrainischen Zivilbevölkerung, beispielsweise beim von der MenschenrechtsorganisationHuman Rights Watch dokumentierten Einsatz zwischen März und September 2022 gegen die damals von russischen Truppen besetzte ostukrainische Stadt Izium.

Zweitens wurden diese Zusicherungen in jenen wenigen Kriegen der Vergangenheit nicht eingehalten, in denen es überhaupt Zusagen der einen und/oder anderen Konfliktpartei gab zur Dokumentation der genauen Einsatzorte und Ziele von Streumunition oder auch von Land- und Antipersonenminen (zum Beispiel in den Kriegen in Bosnien und Kroatien Anfang der 1990er Jahre) sowie zur Räumung von Blindgängern.

Spanische Verteidigungsministerin ist gegen die Lieferung

Die Entscheidung der Biden-Administration zur Lieferung von Streubomben an die Ukraine kritisieren nicht nur eine Reihe demokratischer Abgeordneter und Senatoren im US-Kongress, sondern international auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sowie NATO-Verbündete wie Spanien und Grossbritannien, die sich ansonsten an der Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine beteiligen.

Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte, sie sage zwar «Ja zur legitimen Verteidigung der Ukraine», aber «Nein zu Streubomben». Ihr Land vertrete den Standpunkt, dass bestimmte Waffen und Bomben unter keinen Umständen geliefert werden dürften.

Die deutsche Bundesregierung zeigte hingegen Verständnis für die Entscheidung der USA. In der Ukraine bestehe «eine besondere Konstellation» da «die Ukraine eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung einsetzt», erklärte der Berliner Regierungsprecher Steffen Hebestreit. Zudem habe «Russland bereits in grossem Umgang Streumunition eingesetzt».

Die deutsche Bundesregierung missachtet das humanitäre Völkerrecht und ihre Verpflichtungen

Mit dieser Haltung missachtet die Bundesregierung das humanitäre Völkerrecht. Denn dessen Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung gelten unterschiedslos sowohl für den Angreifer wie für den Angegriffenen in einem Krieg.

In der Logik ihrer Position im aktuellen Fall könnte die Ampelkoalition demnächst auch die bereits im Februar von der Regierung Selensky geforderte Lieferung von Phosphorwaffen an die Ukraine rechtfertigen, sollte Russland derartige Waffen einsetzen.

Zudem missachtet die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem Oslo-Abkommen zum Verbot von Streumunition. Danach müsste die Bundesregierung «sich nach besten Kräften bemühen, Staaten, die dem Abkommen nicht angehören (wie die Ukraine, die USA und Russland, A.Z), vom Einsatz von Streumunition abzubringen» und «diese Staaten ermutigen, diesem Abkommen beizutreten und es zu ratifizieren».

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siehe dazu auch den Beitrag des Internationalen Roten Kreuzes:

https://www.icrc.org/en/war-and-law/weapons/cluster-munitions Cluster munitions Cluster munitions kill and injure large numbers of civilians and cause long lasting socio-economic problems. The 2008 Convention on Cluster Munitions prohibits the use, production, stockpiling and transfer of cluster munitions and requires States to ensure that they claim no further victims. (...)

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6. Freitag: L. Herden: Präsident Bidens Streumunition riecht nach Kompensation für Kiew

https://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/die-regierung-scholz-entwertet-die-konvention-gegen-streumunition Präsident Bidens Streumunition riecht nach Kompensation für Kiew Meinung

Die erklärte Absicht der US-Regierung, die ukrainischen Bestände mit international geächteten Waffen aufzustocken, ist kurz vor dem NATO-Gipfel ein Eingeständnis: Kiews Offensive fehlt es bisher am durchschlagenden Erfolg

Lutz Herden

Der Rückgriff auf in fast allen NATO-Staaten, u.a. der Bundesrepublik, verabscheute Munition ist Ausdruck einer weiteren und immer zwangsläufigeren Entgrenzung des Krieges. Ein Eskalationschritt folgt dem anderen. Eines ist unübersehbar, auch wenn es in Deutschland weitgehend politisch und medial beschwiegen wird: Der Westen kann seine militärtechnologische Überlegenheit gegenüber Russland allein über die Militärmacht Ukraine nicht in dem Maße ausspielen, wie das erwünscht ist und offenkundig erwartet wurde.

Prestige, Siegesgewissheit und Ressourcen sind in einem Maße aufgeboten, dass vorhandene Leistungsgrenzen (z.B. Munitionsbestände) sichtbarer werden, als dass den USA und der NATO lieb sein dürfte. Warum sonst steht auf der Gipfelagenda von Vilnius das Verdikt, dass künftig alle 31 NATO-Mitglieder zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes als Untergrenze (!) ihres Wehretats zu betrachten haben?

Das bindende Versprechen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen – das sog. Defence Investment Pledge (DIP) – soll im Gipfelkommunique stehen. Bereits jetzt ist gegen Russland soviel und ständig mehr mobilisiert worden, dass sich eine Niederlage verbietet, auch wenn es zu gegebener Zeit vermutlich eine Definitionsfrage sein wird, was als Sieg oder Niederlage gedeutet wird.

Kategorisch untersagt

Der von Biden vorangetriebene Einsatz von noch mehr Streumunitiion in der Ukraine hat für die Regierung Scholz politisch (und moralisch) einen hohen Preis. Sie trägt mit, was sie von ihrer bisherigen Position und der Rechtslage her verurteilen und in der NATO verhindern müsste. Nichts dergleichen geschieht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann sich noch nicht einmal zu verhaltener Distanz durchringen.

Man könne „in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen", sagte er dem ZDF. Eine selten lächerliche Floskel, als ob irgendjemand von deutschen Regierungen je erwarten würde, dass die sich dazu aufraffen. Verteidigungsminister Boris Pistorius rundet das argumentative Dilemma ab, indem er erklärt, man habe die Entscheidung der US-Regierung „nicht zu kommentieren".

Das entwertet die deutsche Unterschrift unter das Übereinkommen über das Verbot von Streumunition, wenn sie es nicht „wert" ist, den engsten Verbündeten zur Mäßigung aufzufordern. Theoretisch hatte man dafür Rückhalt ohnegleichen. Schließlich geht es um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, der seit 2010 gilt und mittlerweile 111 Staaten bindet, während zwölf die „Oslo-Konvention" zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben.

Neben Entwicklung und Einsatz ist damit auch eine Weitergabe dieser Waffen- und damit Verbreitung dieser Tötungsart kategorisch untersagt. Natürlich können die USA dagegen verstoßen, soviel sie wollen, sie lehnen die Konvention schließlich ab, nicht aber Deutschland, das sich immer mehr in eine Lage manövriert, in der nicht mehr zu kontrollieren ist, was in diesem Krieg geschieht und seiner Entgrenzung Vorschub leistet.

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7. Sicherheitsbulletin: J. Hübschen: Die Eskalationsschraube dreht sich weiter

https://sicherheitsbulletin.wordpress.com/ Die Eskalationsschraube dreht sich weiter:

USA planen Lieferung von Streumunition an die Ukraine

Erstellt am 8. Juli 2023 von Jürgen Hübschen

(...)

Zusammenfassende Bewertung

Die Begründung der USA für die Lieferung dieser Waffen kann nur als zynisch bezeichnet werden. Weil man der Ukraine nicht genügend „herkömmliche" Artilleriegranaten zur Verfügung stellen kann, greift man auf eine Form der Munition zurück, die völkerrechtlich geächtet ist und für die Zivilbevölkerung unabsehbare Folgen hat. Die ukrainische Offensive muss endlich funktionieren, und deswegen spielt das Völkerrecht keine Rolle!

Die Inkonsequenz in der Reaktion der NATO Verbündeten zu dieser Vorgehensweise bis hin zur Scheinheiligkeit ist geradezu unerträglich. Deutschland ist in puncto Doppelmoral einmal mehr der Spitzenreiter, auch, weil man noch nicht einmal darauf hingewiesen hat, dass die Bundesregierung nicht damit einverstanden ist, sollte die Ukraine diese Munition auch mit deutschen Waffensystemen einsetzen- unabhängig davon, dass es ja niemand kontrollieren könnte.

„Die Ukraine setzt die Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. ... " sagte der Regierungssprecher. Das Gegenteil wird der Fall sein!

Mit der Lieferung von Uran haltigen Granaten vom Kaliber 120mm durch Großbritannien, Granaten, die nicht nur vom britischen Kampfpanzer „Challenger", sondern auch vom Kampfpanzer „Leopard" verschossen werden können, hatte der Krieg bereits eine weitere Eskalation erfahren, die durch die Streumunition jetzt noch einmal deutlich verschärft wird.

Russland wird dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass Moskau bei einem Einsatz von Streumunition gegen die russischen Verteidigungsstellungen mit einem massiven Beschuss einer ukrainischen Großstadt – das muss nicht das durch eine Raketenabwehr teilweise geschützte Kiew sein – vielleicht sogar durch Mittelstreckenraketen reagiert.

Nach dem Ausbringen von Streumunition kann auch der Einsatz von chemischen Granaten nicht mehr ausgeschlossen werden. Wie hoch die Schwelle zum Einsatz von A-Waffen noch ist, sei dahingestellt.

In diesem Krieg geht es schon lange nicht mehr um die Ukraine und vor allem nicht um die dort lebenden Menschen, sondern darum, dass die USA diese Auseinandersetzung nicht verlieren dürfen, also um knallharte nationale Interessen Washingtons.

Wann endlich begreifen das die Regierungen der westlichen Verbündeten und haben den Mut, Washington zu signalisieren, dass man die amerikanische Politik nicht mehr unterstützt und den eigenen Wählern einzugestehen, dass man sich in der Positionierung zum Ukrainekrieg fundamental geirrt hat.

Russland wird seine Truppen aus der Ukraine nicht abziehen, und die Ukraine wird diesen Krieg militärisch nicht gewinnen. Hier geht es nicht um Moral, sondern um Fakten, und deshalb muss verhandelt werden und zwar sofort!

Greven, 08. Juli 2023

Jürgen Hübschen

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Jürgen Hübschen Oberst a.D. Beratung für Friedenssicherung und Sicherheitskonzepte

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8. Eurotopics: Streumunition für Kyjiw: Richtig oder fahrlässig?

Hier der europäische Blick auf die Streumunition-Debatte:

https://www.eurotopics.net/de/304039/streumunition-fuer-kyjiw-richtig-oder-fahrlaessig?pk_campaign=et2023-07-10-de&pk_kwd=304039

10. Juli 2023 Streumunition für Kyjiw: Richtig oder fahrlässig? Nach langem Drängen aus Kyjiw haben die USA zugesagt, der Ukraine im Rahmen einer militärischen Hilfslieferung im Wert von 800 Millionen US-Dollar (rund 730 Millionen Euro) auch Streumunition zu liefern.

Streumunition ist wegen der hohen Blindgängerquote umstritten, mehr als 100 Staaten untersagen ihren Einsatz. Aus Washington hieß es nun, die Gefahr für Zivilisten im Falle eines erneuten russischen Vorrückens sei größer. Kommentatoren wägen ab.

(...)

9. Aufschrei: Keine Streumunition für Ukraine! Bundesregierung muss sich gegen Lieferung und Einsatz aussprechen!

https://aufschrei-waffenhandel.de/fileadmin/user_upload/dokumente/pressemitteilungen/2023_07_11_pm_keine_streumunition_fuer_ukraine.pdf

Mitteilung für die Medien

Berlin, 11. Juli 2023

Keine Streumunition für Ukraine!

Bundesregierung muss sich gegen Lieferung und Einsatz aussprechen!

„Die Pläne der USA, international geächtete Streumunition an die Ukraine zu liefern sowie der beabsichtigte Einsatz durch die ukrainische Armee, müssen von der Bundesregierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden.

Die USA und die Ukraine sowie Russland sind dem Übereinkommen über Streumunition (CCM) zwar nicht beigetreten, aber das humanitäre Völkerrecht verbietet Waffen, die unterschiedslos Kämpfer als auch Zivilist:innen treffen. Außerdem werden die Blindgänger praktisch zu Landminen, die noch Jahre und Jahrzehnte später zu Verstümmelungen oder dem Tod vollkommen Unbeteiligter führen können.

Da Deutschland jedoch Vertragsstaat ist, müssen künftige Waffenlieferungen im Rahmen von Artikel 51 der UN-Charta für die Ukraine daraufhin überprüft werden, ob mit diesen die dann gelieferte Streumunition eingesetzt werden kann. Denn Deutschland darf als Unterzeichner der sogenannten „Oslo-Konvention" den Einsatz von Streumunition nicht unterstützen.

Dazu zählt auch die Lieferung von geeigneten Abschussvorrichtungen oder Trägersystemen, wie z. B. Panzerhaubitzen", sagt Susanne Weipert, Koordinatorin „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!".

(...)

„Es ist ein Skandal, dass sich Bundespräsident Steinmeier als ‚befangen' erklärt bei der Frage nach der beabsichtigten Lieferung von Streumunition durch die USA.

Die Tatsache, dass er damals für die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet hat, sollte ihn gerade dazu veranlassen, sich mit Vehemenz für die Durchsetzung der daraus resultierenden Norm einzusetzen", erklärt Vincenzo Petracca, Sprecher der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel" und Vorstandsmitglied der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden und führt weiter aus:

„Außenministerin Baerbock ist in ihrer ablehnenden Position zu der geplanten Lieferung nur zu unterstützen. Sogar Großbritannien und Spanien haben sich dagegen ausgesprochen. Und auch Kambodscha, das bis heute unter dem Einsatz von Streumunition in den 70er Jahren leidet, warnt die Ukraine vor dieser Waffe. Die Bundesregierung muss alles in ihrer Macht Stehende tun und den Einsatz dieser Munition verhindern, der v.a. für Zivilist:innen auch nach Jahren noch eine tödliche Gefahr darstellt."

Kontakt für die Medien

Susanne Weipert, Koordinatorin der Kampagne M: 0176-45827610, s.weipert@paxchristi.de

Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne und Bundessprecher der DFG-VK M: 0170-6113759, graesslin@dfg-vk.de

Vincenzo Petracca, Sprecher der Kampagne und Vorstandsmitglied der AGDF v@petracca.de

Trägerorganisationen der Kampagne: Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e. V. (AGDF) • aktion hoffnung Rottenburg-Stuttgart e. V. • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) • Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) • Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges e. V. (IPPNW) Deutschland • NaturFreunde Deutschlands • Netzwerk Friedenskooperative • Internationale katholische Friedensbewegung pax christi – Deutsche Sektion • JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) Deutsche Sektion • Ohne Rüstung Leben (ORL) • Deutsche Franziskanerprovinz • RüstungsInformationsBüro (RIB e. V.) • terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not • Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden (WfGA)

 

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10. Tagesspiegel: Ukraine-Invasion Tag 492: „Es kotzt mich an" – Ukrainischer Generalstabschef gibt Wut-Interview

https://www.tagesspiegel.de/internationales/ukraine-invasion-tag-492-es-kotzt-mich-an--ukrainischer-generalstabschef-gibt-wut-interview-10078630.html?dicbo=v2-qu3s2CB

Ukraine-Invasion Tag 492: „Es kotzt mich an" – Ukrainischer Generalstabschef gibt Wut-Interview 30.06.2023, 17:43 Uhr

Das hatte sich die Reporterin der US-Zeitung „Washington Post" sicher auch etwas anders vorgestellt, als sie den Chef des ukrainischen Generalstabs, Walerij Saluschnyj, in seinem Büro in Kiew besuchte.

Statt eines aufgeräumten Gesprächs wurde Isabelle Khurshudyan mit einer Wutrede konfrontiert

(hier der Originaltext bei der „Washington Post").

Hier eine Zusammenstellung der zentralen Aussagen – und Anschuldigungen:

Über großflächige Rückeroberungen sagt er: „Ohne eine vollständige Ausrüstung sind diese Pläne eigentlich überhaupt nicht durchführbar. Aber sie werden durchgeführt. Ja, vielleicht nicht so schnell, wie es die Teilnehmer der Show, die Beobachter, gerne hätten, aber das ist ihr Problem."

Während die wichtigsten westlichen Unterstützer Kiews niemals eine Offensive ohne Luftüberlegenheit starten würden, habe die Ukraine immer noch keine modernen Kampfflugzeuge erhalten. Aber es werde erwartet, dass sie rasch Gebiete von den russischen Besatzern zurückerobere.

„Es ist keine Show, bei der die ganze Welt zuschaut und Wetten abschließt oder so etwas. Jeder Tag, jeder Meter wird mit Blut gespendet", sagt er über die Gegenoffensive.

„Es kotzt mich an", antwortet er, wenn er auf die eher langsamen Fortschritte der ukrainischen Truppen an der Front angesprochen wird. Seine Truppen müssten mindestens so viele Artilleriegeschosse abfeuern wie der Feind, aber wegen der begrenzten Ressourcen seien sie manchmal um das Zehnfache unterlegen.

Über sein Verhältnis zum US-Generalstabschef Mark Milley sagt er: „Wir sind rund um die Uhr in Kontakt. Manchmal rufe ich an und sage: ‚Wenn ich in einer Woche nicht 100.000 Geschosse besorge, werden 1000 Menschen sterben. Versetz dich in meine Lage.'

Aber es ist nicht Milley, der entscheidet, ob wir Flugzeuge bekommen oder nicht. Es ist nur so, dass in der Zeit, in der diese Entscheidung getroffen wird, jeden Tag eine Menge Menschen sterben – eine Menge. Nur weil noch keine Entscheidung getroffen wurde."

Über die zerstörten Leopard-Panzer sagt er: „Wir haben die Leoparden nicht, damit sie bei Paraden mitfahren oder damit sich Politiker oder Prominente mit ihnen fotografieren lassen. Sie sind hier, um Krieg zu führen. Und ein Leopard auf dem Schlachtfeld ist kein Leopard, sondern eine Zielscheibe." (...)

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11. Washington Post: CIA director, on secret trip to Ukraine, hears plan for war's endgame

https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/06/30/cia-director-burns-ukraine-counteroffensive/

National Security

CIA director, on secret trip to Ukraine, hears plan for war's endgame

During meetings in Kyiv, William Burns was told of Ukraine's ambitious goal to retake territory and push Moscow into talks by the end of the year

By John Hudson and Shane Harris

June 30, 2023 at 7:23 p.m. EDT

During a secret visit to Ukraine by CIA Director William J. Burns earlier this month, Ukrainian officials revealed an ambitious strategy to retake Russian-occupied territory and open cease-fire negotiations with Moscow by the end of the year, according to officials familiar with the visit. (...)

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12. The Guardian: Secret US-Russia talks over Ukraine 'not sanctioned by Biden administration'

https://www.theguardian.com/us-news/2023/jul/07/russia-us-talks-ukraine-war-biden

Secret US-Russia talks over Ukraine 'not sanctioned by Biden administration' Washington denies authorising former officials' meeting with Russia's foreign minister, Sergei Lavrov

Dan Sabbagh and David Smith in Washington

Fri 7 Jul 2023 18.41 BST

Joe Biden's administration did not sanction or support secret meetings that former top US national security officials held with the Russian foreign minister, Sergei Lavrov, and other Russians on potential talks to end the Ukraine war, the White House and state department have said.

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13. FR: Brasilien-Experte: „Wir sind keine Schuljungen, die sich von Kolonialmächten sanktionieren lassen" https://www.fr.de/politik/lula-bolsonaro-kolonialmaechte-mercosur-brasilien-tbl-zr-92396544.html?trafficsource=ECRslide

Brasilien-Experte: „Wir sind keine Schuljungen, die sich von Kolonialmächten sanktionieren lassen"

Erstellt: 12.07.2023, 09:07 Uhr Von: Caspar Dohmen, Till Hoppe

Carlos Ivan Simonsen Leal ist Präsident der renommiertesten Wirtschaftshochschule Brasiliens. Im Interview spricht er über die Zurückweisung durch den Westen und den Konflikt im Südchinesischen Meer. (...)

(...)

Mehr Engagement beim Klimaschutz in Brasilien? „Wichtig und richtig"

Die EU fordert gerade von Brasilien ein zusätzliches Bekenntnis zu Klimaschutz und Arbeitnehmerrechten. Spricht Europa zu viel von Menschenrechten und Nachhaltigkeit?

Nein, ich denke, das ist richtig und wichtig. Wir betrachten Europa als einen stabilisierenden Faktor in einer verrückten Welt. Aber im Moment erleben wir eine große geopolitische Verschiebung.

Sie meinen das Großmächteduell von USA und China?

Genau. Der größte Diskussionspunkt ist die Rolle des US-Dollars als Reservewährung. Denn darin liegt die ganze Hebelkraft der USA begründet. Auf diese Weise können sie ihr Leistungsbilanzdefizit von 800 Milliarden Dollar aufrechterhalten, was den Kosten ihrer Streitkräfte entspricht, mit denen sie die Ölwege, die Energiewege in der Welt kontrollieren.

Duell um Vorherrschaft im Südchinesischen Meer

Auch China rüstet sein Militär auf.

China hat seine Militärausgaben erhöht, aber nur so weit, dass es eine Belastung für die USA darstellt, nicht aber eine echte Bedrohung. Das ist sehr klug. Der zweite Punkt ist die Belt-and-Road-Initiative, die ohne militärische Dominanz Chinas im Südchinesischen Meer unvollständig ist – es ist die Verbindung zu den Weltmärkten. Zwischen China und den Vereinigten Staaten könnte es zu einer militärischen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer kommen. Nicht Taiwan ist wichtig, sondern die Ölverbindungen zu Japan und Südkorea.

Warum?

Wenn die Chinesen diese Region beherrschten, würden sich diese Länder Peking zuwenden, und der US-Dollar würde seine Rolle als Reservewährung möglicherweise verlieren. Das können die Amerikaner nicht zulassen. Der Streitpunkt ist also nicht die Ukraine. Der eigentliche Streitpunkt ist China, das Südchinesische Meer. Das wird ein Thema für die nächsten 20, 30, vielleicht 50 Jahre sein.

Wo sehen Sie Europa hier?

Angesichts des Krieges in der Ukraine sind die Amerikaner für Europa unverzichtbar. Aber die Geopolitik in Europa birgt einige Dilemmata. Eines davon ist: Kann eine der beiden Seiten den Krieg gewinnen, ohne dadurch ein noch größeres Problem zu provozieren? Wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, könnte das zu einer Zersplitterung der russischen Föderation oder zu einer Schwächung Russlands führen, die nicht gut für Europa ist?

„Russland und Europa werden kannibalisiert"

Ist diese Sorge der Grund, warum Brasilien die westliche Haltung nicht voll unterstützt?

Nein, Brasilien braucht Phosphat. 70 Prozent unseres Phosphats kommt aus Russland. Aber wir sind gegen jeden Krieg. Wir sehen es nicht gern, wenn Menschen getötet werden, und wir sagen nicht, wer Recht oder Unrecht hat. Wir sehen dort vor allem ein Problem. Und wir sehen, dass Russland im Moment kannibalisiert wird.

Wie meinen Sie das?

China und die USA bereiten sich auf einen großen Schlagabtausch vor. Natürlich werden sie, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, ihre schwächeren Partner kannibalisieren. Russland muss sein Öl zu 60 Prozent des Preises an China und Indien verkaufen. Auch Europa wird kannibalisiert, weil es eine Menge Waffen kaufen muss, die nicht aus Europa stammen.

Das zeigt sich etwa in der Konkurrenz zwischen den Patriot-Raketen aus den USA und dem französischen Raketenabwehrsystem SAMP/T. Deutschland will die Patriots, weil es gesehen hat, wie gut sie gegen russische Hyperschallraketen funktionieren. In gewissem Sinne ähnelt die Welt von heute der Welt von 1910 oder 1955: Deutschland befindet sich in einer Zwickmühle. (...)

Vor allem die Grünen in Deutschland wollen Sanktionen verhängen können, wenn Brasilien oder die anderen drei Länder ihre Nachhaltigkeitsverpflichtungen nicht einhalten. Ist das aus Ihrer Sicht eine rote Linie?

Ich bin nicht die Regierung, aber wenn ich in der Position einer Regierung wäre, würde ich sagen: Nun, lasst uns konkreter werden. Wir sind keine Schuljungen, die sich von alten Kolonialmächten sanktionieren lassen. Wir haben andere Optionen. Wenn wir nicht in gutem Glauben handeln, ist es besser, das Abkommen nicht einzugehen. Einige Leute in Europa wollen kein Abkommen aus Gründen, die nur Vorwände sind. (...)

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China hatte vor dem russischen Überfall 2022 u.a. dieses Wind-Energie-Vorhaben in der Ukraine geplant:

https://w3.windmesse.de/windenergie/news/35947-ukraine-china-powerchina-windfarm-entwickler-betreiber-ppa-onshore-europa-bau-donezk-phase-windpark-turbine-verband

4.11.2020 Chinesen bauen größten Onshore-Windpark Europas Das chinesischen Unternehmen PowerChina will in der Ukraine den bislang größten Onshore-Windpark Europas errichten. Die Auswahl der Lage für das Vorhaben ist allerdings brisant.

Der chinesischen Staatskonzern PowerChina erobert Europas Osten: Zusammen mit lokalen Partnern will das Energieunternehmen einen 800 MW-Windpark in der Ukraine errichten. Wenn dies gelingt, wäre es der größte zusammenhänge Onshore-Windpark Europas, der in nur einer Phase gebaut wird.

Das Brisante an dem Vorhaben ist unterdessen seine Lage, denn ausgerechnet in der Region um Donezk ist das Projekt geplant. Der Südosten der Ukraine wird teilweise von pro-russischen Rebellen kontrolliert, immer wieder kommt es dort zu Kämpfen. Nichtsdestotrotz ist der Windpark in den Bezirken Manush und Nikolske geplant.

Verwirklichen soll den Manhushskyi-Nikolskyi-Park der ukrainischen Entwickler WindFarm – und das ganz ohne staatliche Unterstützung. Bislang hat das Unternehmen nach eigenen Angaben Windprojekte mit einer Leistung von 1,3 GW entwickelt, von denen bislang über 400 MW Leistung in Betrieb genommen wurden.

PowerChina ist eines der größten Bauunternehmen in China und auf die Planung und den Bau von Energie- und Transportanlagen spezialisiert. (...)

Der ukrainische Windpark soll rund 1 Milliarde Dollar kosten und durch eine „effektive Umsetzung in kürzester Zeit" installiert werden, wie der Chef von WindFarm, Yuriy Zhabskyy, bei der Vertragsunterzeichnung erklärte, ohne jedoch genaue Fristen zu nennen. (...)

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siehe auch:

https://www.focus.de/klima/analyse/on-shore-windkraft-und-solaranlagen-wie-in-der-ukraine-trotz-krieg-die-energiewende-voran-geht_id_195320727.html

Energiewende im Raketen-Hagel

Während Putins Bomben regnen, bauen die Ukrainer fleißig Windräder

Montag, 05.06.2023, 10:45

Mehr Windräder gebaut als England im vergangenen Jahr: Obwohl sich das

Land mitten im Krieg befindet, schreitet in der Ukraine die Energiewende voran.

Wie geht das? (...)

Währenddessen ging Ende Mai ein Windpark des ukrainischen Betreibers

DTEK in der Nähe von Mykolajiw im Südwesten des Landes ans Netz. Die

19 Turbinen im Windpark erzeugen genug Strom, um jährlich etwa 200.000

Haushalte zu versorgen. Der Bau begann 2021 und wurde trotz Nähe zur

Front noch Ende März 2023 fertig gestellt. (...)

Um das Leben in der Ukraine zu destabilisieren, hat die russische

Armee gezielt mit Raketen die Energieversorgung der Ukrainer attackiert.

Seit Dezember 2022 ist rund die Hälfte der ukrainischen

Stromerzeugungskapazität außer Kraft: Vieles wurde zerstört,

beschädigt oder befindet sich in besetzten Gebieten. Der Schaden im

Energiesektor beläuft sich laut Bloomberg auf knapp 7,4 Milliarden

Euro. Während des Winters waren ukrainische Haushalte durchschnittlich

35 Tage ohne Strom.

Bürgerinitiativen, aber auch größere Regierungsvorhaben sind also

wichtig, um die Energieversorgung des Landes wiederherzustellen. Im

Zuge dessen kann die Ukraine auch die Abhängigkeit von Importen

fossiler Brennstoffe reduzieren. (...)

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14. Sonnenseite: Repowering Module für die Ukraine

https://www.sonnenseite.com/de/tipps/repowering-module-fuer-die-ukraine/ 01.07.2023 Repowering Module für die Ukraine In der Ukraine leiden viele Menschen und Institutionen unter Strommangel. Die russischen Angriffe zielen vielfach auf die Zerstörung der Energieversorgung.

Der Wunsch vieler UkrainerInnen ist es nachts Licht zu haben, Kühlschränke zu betreiben, elektrisch zu kochen oder Handys für die notwendige Kommunikation aufzuladen. Solarpaneele können dies möglich machen auch wenn die Stromversorgung wieder mal unterbrochen wird.

In existenziellen Not sind neue Solarmodule für viele nicht erschwinglich. In Deutschland und auch in anderen Ländern werden inzwischen ältere aber noch intakte Solaranlagen abgebaut, u.a. weil neuere, effizientere Module repowert werden. Viele der abgebauten Module wären aber zu schade für Recycling oder gar Entsorgung.

Gerade diese können besonders kostengünstig helfen die Energienot in der Ukraine zu lindern.

Auf der Intersolar in München wurde vor Kurzem eine entsprechende Initiative von folgenden Personen gegründet:

Robert Busch (Geschäftsführer Bundesverband Neue Energiewirtschaft), Carsten Pfeifer (Leiter Strategie beim BNE, sowie mein früherer Mitarbeiter im Bundestagsbüro) gemeinsam mit Stella und Christian Schönwiesner.

Zusammen mit den Partnern GIZ und Deutsch-Ukrainisches Forum e.V. bitten sie darum, gebrauchte Solarmodule für die Ukraine zur Verfügung zu stellen. (...)

Weitere Informationen und den Kontakt dazu gibt es hier:

www.repowering-module.org

Wer also gebrauchte Solarmodule übrig hat oder ausrangieren will, kann sich bestens humanitär betätigen und diese über die neue Initiative in die notleidende Ukraine liefern lassen. (...)

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15. An appeal to the European Commission and the European Parliament - protection of Russian conscientious objectors, deserters

https://docs.google.com/document/d/1nL5D5V62kb8mtoBKbwN5O6g-ez8nP6Sp9UIlCPls5dE/edit

An appeal to the European Commission and the European Parliament about necessary measures for the international protection of Russian conscientious objectors, deserters and those who surrendered or were captured

(...)

Hier geht es zum Gesamttext und zur Liste der bisherigen Organisationen, die den Text unterzeichnet haben:

https://docs.google.com/document/d/1nL5D5V62kb8mtoBKbwN5O6g-ez8nP6Sp9UIlCPls5dE/edit

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