Hochaktuell: Vortrag zu Friedenslogik und Nahost-Konflikt

Gespeichert von Helmut Brinkma… am
 
(Am 24. November 2018 lud das FORUM FRIEDENSETHIK in der Evangelischen Landeskirche in Baden nach Karlsruhe zu einem Studientag ein zum Thema  "Deutschlands Beitrag zu einem gerechten Frieden in Palästina / Israel?" Hier mein Manuskript)

 

Friedenslogische Ansätze im Nahost-Konflikt 

von Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes 

1. Zwei Narrative anerkennen 

Im Nahostkonflikt gibt es zwei Narrative, die häufig in sich geschlossen erzählt werden. Friedenslogik bedeutet, in die Schuhe der jeweils anderen Seite zu schlüpfen - was für beide Seiten mit Herausforderungen verbunden ist. 

a) Israelisches Narrativ 

Immer wieder habe ich persönlich in Israel dieses Narrativ gehört: Wir sind ein kleines Volk von rund sieben Millionen Menschen, umringt von rund 300 Millionen feindlich gesinnter Muslime. Wir haben mehr als 2000 Jahre Geschichte der Verfolgung erlebt, wurden als Jesus-Mörder, Brunnenvergifter und Geldeintreiber beschimpft. In der Shoa wurden sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet. Wir brauchten einen sicheren Ort auf der Welt - in unserer alten Heimat, wo das jüdische Leben nie ganz erloschen ist. Es waren die Araber, die den Teilungsplan nicht angenommen haben. Nicht nur 750 bis 800 000 Araber sind 1947/48 geflohen, auch rund eine Million Juden mussten die arabische Welt verlassen. 

Die arabische Seite hat mehrere Versuche unternommen, uns ins Meer zu treiben - wäre sie nur einmal erfolgreich gewesen, würde es heute Israel nicht mehr geben. Wir haben im Jahre 2000 den Südlibanon verlassen - was haben wir bekommen? Raketen der Hizbollah im Krieg 2006. Wir haben 2005 den Gazastreifen verlassen und rund 7000 Menschen jüdischen Glaubens umgesiedelt - was haben wir bekommen? Raketen der Hamas, die bis heute in ihrer Charta nicht bereit ist unser Existenzrecht anzuerkennen. Ohne den Bau der Mauer und des Sicherheitszaunes wären die Selbstmordattentate nach 2002 weitergegangen. Wir werden uns nie wieder zur Schlachtbank führen lassen. Wenn wir nicht stark sind, werden wir nicht überleben. 

b) Palästinensisches Narrativ 

In den palästinensischen Gebieten habe ich häufig dieses Narrativ gehört: Wir sind die Opfer von Opfern. Wer hat der UN-Teilungsplankommission das Recht gegeben, unser Land 1947 aufzuteilen und noch dazu so ungerecht bezüglich des Wassers und des Landes: 44% nur für uns und 55% für die Juden - obwohl wir soviel mehr Menschen damals waren? Der Antisemitismus war ein europäisches Problem. Warum haben die Europäer die Frage einer Heimat für verfolgte Juden nicht dort gelöst, wo sie entstanden ist? Warum werden UN-Resolutionen so unterschiedlich gehandhabt und die UN-Resolution 194 mit dem Recht der Rückkehr unserer Vertriebenen der Nakba oder der UN-Resolutionen 242 zur Beendigung der Besatzung nicht umgesetzt, so wie die Besatzung Kuweits durch Irak 1990 bereits 1991 beendet wurde? 

Warum darf die israelische Besatzungsmacht tausende unserer Häuser zerstören aus angeblichen Sicherheitsgründen, für den Bau der Mauer oder des Zaunes? Wieso nimmt die internationale Gemeinschaft hin, dass mehr als 5000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen eingesperrt sind, teilweise misshandelt und gefoltert werden, darunter sogar Kinder, wie doch öffentlich in den Berichten von Amnesty International nachzulesen ist? Wann endet unser Albtraum endlich? 

Friedenslogik heißt, zunächst einmal anzuerkennen, dass es diese beiden Narrative gibt, beide Seiten einzuladen, in die Schuhe der jeweils anderen Seite zu schlüpfen - im Bewusstein, dass es sich um einen asymmetrischen Konflikt handelt, bei der die israelische Seite militärisch nicht nur hoch überlegen ist, sondern als Besatzungsmacht zudem UN-Sicherheitsbeschlüsse seit Jahrzehnten ignoriert. 

2. Bisherige Versuche einer friedenslogischen Konfliktregelung 

a) Zur Zweistaatenlösung 

Grundlage für eine Zweistaaten-Lösung waren die "Osloer Vereinbarungen". Das 1995 zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO geschlossene "Oslo-II-Agreement" sieht die Aufteilung des Westjordanlands in drei Typen von A-, B- und C-Zonen vor. Die großen palästinensischen Städte wie Ramallah und Nablus bilden die Zone A, in der die gesamte Zivilverwaltung und die Verantwortung für die Sicherheit an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) übertragen wurde. Weil die israelische Armee - sofern sie dies für notwendig erachtet - immer wieder auch in die Zone A eindringt, hat die ursprüngliche Intention einer wachsenden palästinensischen Selbstverwaltung weitgehend an Bedeutung verloren. In der Zone B mit den kleineren palästinensischen Städten und Dörfern ist die PA für die Zivilverwaltung zuständig, während die Kontrolle der Sicherheit vollständig bei der israelischen Armee liegt. Zone C, die mit 62% den größten Teil des Westjordanlands umfasst, untersteht nach wie vor komplett der israelischen Zivil- und Militärverwaltung. 

Bis spätestens zur Jahrtausendwende hätte der Staat Palästina sowohl in den A, B als C-Territorien - mit der Möglichkeit eines minimalen Gebietstausches - und über einen Korridor mit dem Gazastreifen verbunden, errichtet werden sollen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich seit "Oslo 1995" die Zahl der SiedlerInnen im Westjordanland mehr als verdoppelt hat und ein zusammenhängendes palästinensisches Staatsgebiet nicht mehr möglich ist, scheint derzeit eine lange für möglich gehaltene Zwei-Staaten-Lösung, wie sie etwa in der "Genfer Initiative" von 2003 vorangetrieben worden war, nahezu ausgeschlossen. 

Die "Genfer Initiative" sah einen Gebietstausch von wenigen Prozentpunkten Land vor, so dass einige der größten Siedlungen auf dem besetztem Westjordanland Staat Israel geworden wären, ebenso das jüdische Viertel in Ostjerusalem - mit einem Zugang zum jüdischen Friedhof. Umgekehrt hätte der Staat Israel die gleiche Quadratkilometerzahl unbebautes Land zum Staat Palästina werden lassen können, wodurch der Gazastreifen etwas breiter geworden wäre, ebenso das Westjordanland. Der Westteil von Jerusalem hätte Hauptstadt Israels werden können, der Ostteil Hauptstadt von Palästina. Zu den auch Jüdinnen und Juden heiligen Stätten - insbesondere in Hebron, wo die Patriarchen mit ihren Frauen begraben liegen, ebenso zum Grab Rahels bei Bethlehem, waren bewachte Shuttle-Busse vorgesehen. Die Wasserfrage war ebenso behandelt wie die Sicherheitsfrage. 

Der neue Staat Palästina sollte keine Armee haben. Auf israelischer Seite hätte dieser Plan bedeutet, dass große Siedlungen wie Maale Adumin oder Ariel im Staat Palästina gelegen hätten. Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Städte hätten zwei Staatsbürgerschaften erhalten können, die israelische wie die palästinensische. Insbesondere der damalige israelische Ministerpräsident Ariel Sharon wollte aber große Siedlungen im Westjordanland nicht aufgegeben und entschied sich 2005 zur Umsiedlung jüdischer Personen aus dem Gazastreifen. Damit wurden nicht nur hohe Kosten zum Schutz dieser Gaza-Siedlungen vermieden. Es gelang Ariel Sharon auch mit diesem taktischen Schachzug, die Siedlungen im Westjordanland auszubauen und eine Zweistaatenlösung zu verhindern. 

Auf palästinensischer Seite wurde die Ablehnung der Genfer Initiative vor allem damit begründet, dass lediglich die Rückkehr einiger Tausender Flüchtlinge vorgesehen war - und damit eine faktische Aufgabe des Rückkehrrechts. Während die Möglichkeit der realen Schaffung eines Staates Palästina derzeit gegen Null tendiert, hat umgekehrt Palästina auf dem Weg der staatlichen Anerkennung international einige Fortschritte gemacht. Im Jahre 1988 wurde der Staat Palästina in Algier vom damaligen Palästinensischen Nationalrat ausgerufen. Nach international verbindlichen Kriterien (Vertrag von Montevideo von 1933) muss ein Staat drei Kriterien der Staatlichkeit erfüllen: 1. Territorium, 2. Volk, 3. Regierung. Nachdem mit dem Gazastreifen und dem Westjordanland (zumindest in Teilen) ein Territorium schon länger vorhanden ist, es zweifellos auch ein palästinensisches Volk gibt, brauchte die Erfüllung des dritten Kriteriums am längsten. Erst im Jahre 2011 bescheinigten EU, Weltbank und Internationaler Währungsfonds, dass Palästina über eine funktionsfähige Regierung verfügt. Am 23. November 2011 stellte Präsident Abbas, dessen Amtszeit abgelaufen ist und der derzeit als Vorsitzender der PLO agiert, einen Antrag auf Aufnahme in die Vereinten Nationen (UN). Die Bundesregierung hat Anfang 2012 die "Generaldelegation Palästinas" in Berlin in "Diplomatische Mission Palästinas" aufgewertet: Die Leitungen dürfen sichsich seither offiziell "Botschafterin" bzw. "Botschafter" nennen. Aktuell haben am Ende des Jahres 2018 mehr als 130 UN-Mitgliedsstaaten Palästina als Staat anerkannt. 

b) Zur Ein-Staat-Lösung 

Da israelische Regierungen seit 1967 eine Zweistaatenlösung konsequent durch Siedlungsbauten verunmöglichen, bleibt vermutlich in Zukunft nur eine Ein-Staat-Lösung. Innerhalb einer Generation könnte die Gesamtzahl der Palästinenser*innen im Gazastreifen, in der Westbank und die rund 20- prozentige palästinensische Minderheit in Israel die Zahl der jüdischen Israelis aufgrund der höheren Geburtenrate übersteigen. Dass beide Konfliktparteien prinzipiell in Frieden miteinander leben können, beweist seit mehreren Jahrzehnten als ein Beispiel das gemeinsame israelisch- palästinensische Dorf Neve Shalom/Wahat al-Salam (Oase des Friedens). Auf der Grundlage der beschriebenen demographischen Verhältnisse würde bei einer Ein-Staat- Lösung nicht nur der jüdische Charakter des Staates Israel verloren gehen, sondern die palästinensische Seite bei Wahlen in einem überschaubaren Zeitraum die Regierung stellen. 

Dieses Szenario will verständlicherweise die israelische Regierung unter allen Umständen vermeiden, hat sich allerdings selbst durch ihre Siedlungspolitik in eine doppelte Sackgasse gebracht: Eine Räumung von Siedlungen im Zuge einer Zwei-Staatenlösung würde zu einem innerisraelischen Bürgerkrieg führen, eine Ein-Staat-Lösung zur Aufgabe der bisherigen Grundlagen des jüdischen Staates. Gemäß der aktuellen Kräfteverhältnisse des Konfliktes würde die Ein-Staat-Lösung derzeit keine befriedigende Lösung für die palästinensische Bevölkerung mit sich bringen - im Rahmen eines wünschenswerten binationalen Staates mit zwei gleichberechtigten Bevölkerungsteilen mit gleichen demokratischen Bürgerrechten. 

3. Alternativen jenseits der Zweistaaten- oder Ein-Staat-Lösung 

Möglicherweise liegen zukünftige friedenslogische Lösungen, die ein einigermaßen befriedigendes Maß an Perspektiven für beide Konfliktparteien enthalten, jenseits der gängigen Denkvorstellungen wie Zweistaaten- oder Ein-Staat-Lösung. 

a) Parallel-States-Project der Lund-Universität 

Israelische und palästinensische Akademiker, die an der schwedischen Lund-Universität geforscht haben, bringen eine zunächst utopisch klingende Variante in die Diskussion. In ihrem "Parallel- States-Project"(1) schlagen sie zur Lösung des Jahrhundert-Konflikts zwei parallele Staatsstrukturen auf einem gemeinsamen Territorium vor. Diesem Ansatz zufolge gäbe es zwei Staaten, Israel und Palästina, mit jeweils eigenen Pässen, eigenen Flaggen, eigenen Nationalhymnen, allen Symbolen und Äußerlichkeiten der beiden Staaten - mit der weltweit einzigartigen Variante: einem gemeinsamen Territorium. 

Beide Regierungen von beiden Parallelstaaten, die auf nationaler Identität beruhen, würden die Bereiche Religion, Kultur und Nationalität ihrer Bürger unabhängig von deren Wohnort verwalten und zusammen die Bereiche Sicherheit, Infrastruktur und andere gemeinsame Belange koordinieren. Auf Grundlage der Wasser-Situation, der Arbeitsmarktlage und zahlreicher anderer Faktoren wäre eine solche derzeit unrealistisch erscheinende Lösung eine "Win-win-Perspektive" Noch scheint die Zeit nicht reif dafür - aktuelle Entwicklungen zeigen ins Gegenteil. 

b) Ein-Staat-Vorschlag von Sari Nusseibeh 

Noch einen Schritt weiter als die Nahost-Forscher*innen der Lund-Universität geht Sari Nusseibeh, Präsident der Al-Quds-Universität in Jerusalem, von 2001 bis 2002 Statthalter der PLO in Jerusalem, in seinem Buch "Ein Staat für Palästina? Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost", München 2012: "Wir müssen die gegenwärtige Realität neu zeichnen, um sowohl der palästinensischen als auch der israelischen Öffentlichkeit eine alternative Vision der Zukunft zu liefern, die so überwältigend ist, dass die Bedeutung des heutigen politischen Gerangels verblasst" (S.164). Dazu stellt Sari Nusseibeh grundlegende Fragen wie: "Wozu sind Staaten gut?" Auf Seite 16f schreibt er: "Als Gedankenexperiment möchte ich eine Maßnahme vorschlagen, die so anstößig ist, dass sie zu ihrer eigenen Aufhebung führen könnte, (...) In diesem Sinne schlage ich vor, das Israel die besetzten Gebiete offiziell annektiert, die Palästinenser in dem so vergrößerten Israel akzeptiert, dass dieser Staat jüdisch bleibt und sie im Gegenzug sämtliche bürgerlichen, wenn auch nicht politischen Rechte erhalten. Damit wäre der Staat jüdisch, das Land hingegen wirklich binational, und es würde für das Wohl aller Araber in diesem Land gesorgt. Angesichts der Forderung Israels, als jüdischer Staat anerkannt zu werden, und so lange es sich weigert, den Palästinensern die Staatsbürgerschaft zu gewähren, sind die vollen Bürgerrechte, wenn auch ohne aktives und passives Wahlrecht, deren beste Option - sie könnten dann die bürgerlichen Vorteile der de facto Ein-Staaten- Lösung genießen, ohne beschuldigt zu werden, die Jüdischkeit des Staates zu verwässern oder zu 'besudeln'. Auf jeden Fall würde es ihnen unter solchen Bedingungen weitaus besser gehen als in den vierzig Jahren Okkupation oder in einem anderen denkbaren Szenario: der israelischen Hegemonie über verstreute, 'autonome' palästinensische Enklaven". 

Sari Nusseibeh beendet sein visionär-revolutionäres Buch im Geiste Gandhis mit den Sätzen: "Am Ende des Prozesses oder auf halber Strecke könnte die Palästinensische Autonomiebehörde der politische Fixpunkt aller Palästinenser und damit in einer föderalistischen Zukunft der gleichwertige Partner des israelischen Staats sein. Doch wie auch immer das 'Endspiel' am Schluss gestaltet werden wird, sollte man sich tunlichst daran erinnern, dass jegliche Partnerschaft dieser Art auf den komplementären Prinzipien von Freiheit und Gleichheit beruhen muss, das heißt, auf dem Prinzip, dass beide Seiten den Freiraum erhalten, ihr Entwicklungspotenzial auszuschöpfen, ohne dass das Entwicklungspotenzial des Partners beschnitten wird. Erst wenn sich dieses (zweiseitige) Prinzip durchsetzt, kann man sicher sein, Gerechtigkeit in ihrer unter den herrschenden Bedingungen bestmöglichen Form erreicht zu haben". 

4. Zur aktuellen Lage im Israel-Palästina-Konflikt 

In dem Buch von Rainer Hermann, "Arabisches Beben. Die wahren Gründe der Krise im Nahen Osten." Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2018, schreibt der Autor: "Unter dem Begriff 'Jahrhundertdeal' wird zunehmend eine vor allem von Israel diskutierte Lösung diskutiert, dass die Palästinenser auf einen Teil der Westbank verzichten und dafür im Nordsinai ein 'Ersatzland' angeboten bekommen" (S. 18). Gegen Ende seines Buches kommt Rainer Hermann noch einmal auf diesen Plan zurück: "Seit 2017 fordern Politiker der israelischen Regierungspartei Likud auch öffentlich, den Nordsinai den Palästinensern als 'Ersatzland' zu geben. Dazu werden nun auch die Voraussetzungen geschaffen: In dem Landstrich westlich von Gaza enteignet Ägypten unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung Dörfer und macht sie dem Erdboden gleich, und Ägypten verkaufte 2016 seine zwei Inseln in der Einfahrt in den Golf von Aqaba, Tiran und Sanafir, an Saudi-Arabien, das damit eine Mitverantwortung für den Sinai erhält. Die Araber sind zu schwach, um gegen dieses Projekt Widerstand leisten zu können, und die junge Generation der Muslime kennt nur einen Konflikt um Palästina, in dem sich immer Israel durchgesetzt hat. Schwerer wiegt, dass die einzige starke arabische Macht, Saudi-Arabien, in der Gegenwart im Konflikt mit Iran auf die USA und auf Israel angewiesen ist, und Ägypten kann ohne amerikanische Militär- und Wirtschaftshilfe kaum überleben" (S. 335). 

Bereits am 16.12.2017 hatte Rainer Hermann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo er für die Region Naher und Mittlerer Osten als Redakteur zuständig ist, auf diese Pläne hingewiesen (2). Am 6. November 2018 berichtete die "Times of Israel" (3): "Premierminister Benjamin Netanyahu soll den Abgeordneten in seiner regierenden Likudpartei am Montag gesagt haben, dass mächtige Länder ohne Konsequenzen Gebiete besetzen und Völker transferieren können. Dabei bezog er sich anscheinend auf die scheinbare arabische Gleichgültigkeit der Araber im Hinblick auf Israels Kontrolle über die Westbank. 'Macht ist die bedeutendste (Komponente) der Außenpolitik. ‘Besetzung’ ist Unsinn. Es gab große Länder, die Völker besetzt und transferiert haben, und niemand spricht über sie,' wurde Netanyahu am Montag vom Armee-Radio anlässlich der geschlossenen Fraktionssitzung der Likud zitiert" (Übersetzung: Inga Gelsdorf). Vor diesem Hintergrund erscheinen die Anerkennung ganz Jerusalems als israelische Hauptstadt und die Verlegung des US-Botschaft durch die Trump-Administration noch einmal in neuem Licht, ebenso das neue „Nationalitätsgesetz" in Israel, das u.a. die hebräische Sprache als alleinige offzielle Amtssprache definiert und die bisherige Amtsprache Arabisch zu einem Sonderstatus herabstuft. 

5. Unterstützung von Friedens- und Menschenrechtsgruppen auf beiden Seiten 

Angesichts immer enger werdender Gestaltungsspielräume für Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die unter großem Druck stehen, ist die Unterstützung der nachfolgenden Initiativen sowie der Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit für einen gerechten Nahostfrieden von großer Bedeutung. Nachfolgend liste ich exemplarisch - und damit ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit - einige dieser Gruppen auf. 

1. In Israel Zochrot (Erinnerung), Breaking the Silence (Das Schweigen brechen), Israelisches Komitee gegen Häuserzerstörung, Rabbiner für Menschenrechte, Physicians for Human Rights (PHR) - Ärztinnen und Ärzte für Menschenrechte, Gush Shalom (Friedensblock), Machsomwatch (Check-Point- Überwachung), Women in Black (Frauen in Schwarz), New Profil, Yesh Gvul (Es gibt eine Grenze), Alternative Information Center (AIC). 

2. In Palästina Zelt der Nationen (Dahers Weinberg), Wi´am (Herzensverbindung), Holy Land Trust, Arab Educational Center, Sabeel (Ökumenisches Zentrum für Befreiungstheologie), Library on Wheels (Bücherei auf Rädern), Society oft Saint Yves – Human Rights Center, Stop the Wall, International Center of Bethlehem, Center for Conflict Resolution and Reconciliation. Unterstützenswert sind auch Einrichtungen wie das Caritas Babyhospital, die deutsch-palästinensische Schule Talitha Kumi in Beit Jala oder die Universtität in Bethlehem. 

3. Gemeinsame Initiativen beider Seiten Palestine-Israel-Journal, Neve Shalom - Wahat al Salam (Oase des Friedens), Gaza-Sderot- Gesprächsinitiative, Parents Circle - Trauernde Eltern, Daniel Barenboims gemeinsames israelisches- arabisches Orchester, „Hand in Hand“- Schulen, Givat Haviva, Ta‘ayush (Zusammen leben), „Kämpfer für den Frieden“, PRIME (Peace Research Institute in the Middle East). 

4. Internationale Initiativen und Projektträger United Nations, UNRWA, Christian Peace Maker Teams, EAPPI (ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und in Israel), Medico International, Kurve Wustrow, International Solidarity Movement, Misereor, Brot für die Welt. In Deutschland empfehle ich die Unterstützung von Städte- und Gemeindepartnerschaften - wo möglich trinational (Israel, Palästina, Deutschland), die Unterstützung von "Ferien vom Krieg" des Komitee für Grundrechte und Demokratie, von Seminaren im Nahen Osten zum Thema "Gewaltfreie Kommunikation", Friedensdienste in Israel und Palästina, Petitionen zur Kennzeichnungspflicht von Produkten aus den besetzten Gebieten, Briefaktionen von Amnesty International zur Freilassung politischer Gefangener sowie Informationsveranstaltungen mit Gästen aus Israel und Palästina und die Unterstützung von Friedensorganisationen wie z.B. IPPNW, Pax Christi oder des Versöhnungsbundes, die für einen gerechten Frieden im Nahen Osten eintreten. Alle vorgestellten friedenslogischen Gedanken, Pläne und unterstützenswerten Initiativen sind ohne Berücksichtigung und Lösungen auch der religiösen Aspekte dieses Konfliktes zum Scheitern verurteilt. Daher kommt dem interreligiösen Dialog - wenn möglich vermittelt durch eine allparteiliche Mediation von außen - eine zentrale Bedeutung zu. 

---------- 

(1) http://portal.research.lu.se/portal/en/publications/one-land--two-states-draft-report-of-the- parallel-states-project(0dc73b5e-5f1d-4f9c-a049-2f3d4f6d48b8).html (2) http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/israel-und-palaestina-was-koennte-die-loesung-des- konflikts-sein-15342741.html (3) https://www.timesofisrael.com/netanyahu-says-occupation-is-baloney-if-a-country- is-powerful-enough-reports/