Arbeitsgruppe „Gender und Klimagerechtigkeit“ am Präsenztag am 17. Oktober 2021

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Klimagerechtigkeit – für wen?

Renate Firgau berichtet aus der Arbeitsgruppe „Gender und Klimagerechtigkeit“ (mit Birgit Ahlborn, und Anika Schroeder) am Präsenztag am 17. Oktober 2021

Klimagerechtigkeit – für wen? Schon länger vertraut ist uns die Nord-Süd-Perspektive: Der globale Norden schädigt das Weltklima um ein vielfaches mehr als der globale Süden, der aber wiederum besonders betroffen ist. Seit einigen Jahren wird die Generationenperspektive verstärkt eingefordert, besonders von „Fridays for Future“. Was aber ist mit Gender? Sind Frauen anders betroffen vom Klimawandel als Männer? Und inwiefern können sie Akteur*innen der notwendigen Veränderung sein?

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Wenn wir annehmen, dass Krisen wie der menschengemachte Klimawandel bereits bestehende Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen verschärfen, dann liegt die unterschiedliche Betroffenheit von Frauen und Männern auf der Hand. Ein paar Beispiele:

  • Frauen wenden schon heute weltweit 60 -70 % ihrer Arbeitskraft für die Beschaffung von Nahrung auf. Durch klimabedingte Ernteausfälle, längere Wege etc. steigt dieser Anteil weiter. Teilweise müssen Mädchen die Schule abbrechen, um beim Wasserholen und bei der Nahrungsbeschaffung zu helfen.

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  • Beim Tsunami 2004 in Südostasien kamen in einigen Orten viermal so viele Frauen wie Männer zu Tode. Als Gründe dafür werden u.a. das Tragen langer, enger Kleider genannt; dazu konnten viele Frauen nicht schwimmen. Außerdem waren sie oft zu Hause und für Kinder und Alte verantwortlich (Care-Arbeit!), was ihre Flucht erschwerte.
  • Sozialer Stress, verursacht durch Hitze und andere Folgen des Klimawandels, führt zu erhöhter Aggression und Gewalt, die sich v.a. gegen Frauen und Kinder richtet.

In der internationalen Klimapolitik ist die Frage der Geschlechtergerechtigkeit schon seit Jahren fest verankert, z. B. in der Präambel des Pariser Klimaabkommens von 2015. Das Thema ist präsent in Beschlüssen und Arbeitsprogrammen der UN, der EU, der WHO, sogar des deutschen BMZ. Bei der Vertragsstaatenkonferenz 2017 in Bonn wurden bestehende Beschlüsse in Form eines „Gender Action Plan“ konkretisiert.

Dabei geht es v.a. darum, die Perspektiven von Frauen stärker wahrzunehmen und politisch zu berücksichtigen. Wie das konkret aussehen kann, zeigen uns eindrucksvoll starke Frauen aus verschiedenen Ländern, deren Portraits und Worte unsere Arbeitsgruppe begleiteten. Drei von ihnen  wurden exemplarisch vorgestellt: Die mutige 17-jährige Klimaaktivistin Lisakhanya Mathiso aus Südafrika, die Geschäftsführerin Mariam Sow aus dem Senegal, die für Landrechte und eine angepasste Landwirtschaft kämpft und schließlich die indigene Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, Stammesführerin und Politikerin Sonia Guajajara aus Brasilien. Sie alle nehmen sich das Recht, ihre Stimme zu erheben und aktiv zu werden, oft gegen erhebliche Widerstände und Bedrohungen. Auf der Homepage von Misereor sind einige ihrer Geschichten zu lesen: https://blog.misereor.de/2020/11/14/starke-frauen-weltweit/

Im zweiten Teil der Arbeitsgruppe ging es um die Frage großer und kleiner Stellschrauben der Veränderung am Beispiel des ökologischen Fußabdrucks: Ausgerechnet der britische Mineralölkonzern BP stellte dieses Konzept erstmals ins Netz und forcierte es stark. Vor diesem Hintergrund durchdachten wir folgende These:

„Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks verschiebt die Verantwortung für die Klimakrise auf die/den Einzelne/n und verschleiert die Verantwortung der großen Verursacher (z.B. die Hersteller fossiler Brennstoffe) und der Politik. Statt sich im Klein-Klein der persönlichen Alltagsmaßnahmen aufzureiben, kann es – gerade für Frauen – sinnvoller sein, die Kraft in politisches Engagement zu stecken.“

Die Umweltwissenschaftlerin Anika Schroeder (Misereor), die den Vortrag zu „Klimagerechtigkeit“ an diesem Tag gehalten hatte, bestätigte aus ihren Erfahrungen mit Projekten, dass diese wirkungsvoller sind, wenn Frauen maßgeblich an den Entscheidungsprozessen mitwirken. Es ist wohl so: Ohne Gendergerechtigkeit gibt es kleine Klimagerechtigkeit. Die Frage, was Klimagerechtigkeit für LGBTQI* bedeutet, wurde nur aufgeworfen und könnte weiter durchdacht werden.

Wir danken Anika Schroeder, die mit ihrem Fachwissen und zahlreichen Beispielen aus der Praxis unsere Arbeitsgruppe bereicherte.