Wurzeln des Gewaltverzichts - die Jahrestagung 2008 am Arendsee

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Die Jahrestagung 2008 des Versöhnungsbundes fand zum zweiten Mal nach 2005 nicht wie sonst auf dem Venusberg in Bonn, sondern am Arendsee in Sachsen-Anhalt statt. Lag es am Tagungsthema "Gewaltverzicht - Wurzeln globaler Strategien für Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden", dem malerischen Ort Arendsee oder der Erinnerung an die großzügige Tagungsstätte? Auf jeden Fall fanden gut 240 Erwachsene und Jugendliche und rund 40 Kinder den Weg nach Arendsee.

Vier Tage lang sollten die Wurzeln der Gewaltlosigkeit in den Blick genommen werden. Die Bandbreite des Themas wurde schon in der Einladung benannt. Denn über das Ziel einer gerechten Welt mit einem Höchstmaß an menschlicher Sicherheit und der Abwendbarkeit von Gewalt wären wir uns schnell einig gewesen. Daher sollten uns auf der Tagung folgende Leitfragen viel mehr beschäftigen: Welche Wege und Ziele stehen uns offen, wenn wir - auch um des Zieles willen - auf Gewaltmittel verzichten? Gibt es Vorbilder auf diesem Weg, ermutigende Beispiele? Welches sind die spirituellen Wurzeln, aus denen wir Kraft schöpfen für gewaltfreies Leben und Handeln? Welches sind die politischen Konsequenzen für Konzepte, um Gewaltfreiheit bei uns und in Übersee zu erreichen?

Am Donnerstag folgte dem ersten Teil der ordentlichen Mitgliederversammlung (Berichte des Vorstandes, der Referenten, der Geschäftsstelle sowie der Finanzbericht 2007 und die Entlastung des Vorstandes) die Eröffnung der Tagung durch unseren Vorsitzenden Ullrich Hahn. Zur Eröffnung der Jahrestagung gehörte auch die Begrüßung der angereisten Gäste: Der Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes/ IFOR Hildegard Goss-Mayr, des amtierenden IFOR-Präsidenten Jan Schaake, der Präsidentin des österreichischen Versöhnungsbundes Marion Schreiber, des Vorstandsmitgliedes von Kerk en Vrede/ Niederlande Abe Thijs sowie als weitgereistem Referenten Michael Nagler/ USA und Moses Monday John/ Sudan. Damit die "neuen" und die "alten" TeilnehmerInnen der Jahrestagung sich über ihre Erwartungen und Erfahrungen austauschen und einander kennen lernen konnten, trafen sie sich danach in den "Mosaikgruppen." Wie immer eine wichtige Station in der Tagung, denn auch dieses Mal waren rund ein Drittel der teilnehmenden Erwachsenen und Jugendlichen keine Mitglieder des Versöhnungsbundes.

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Am frühen Donnerstagabend traf sich zum dritten Mal auf einer Jahrestagung das 2006 ins Leben gerufene Jugendforum. In diesem Jugendforum aus gut 30 Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Versöhnungsbundes - das sich dann noch ein weiteres Mal am Freitagabend traf - versuchen die jüngeren Mitglieder ihren Platz zu finden im Gefüge und den Themen der Jahrestagung und des Versöhnungsbundes selbst (zum Inhalt siehe Artikel von Samya Korff). Um auch zwischen den Jahrestagungen präsent zu sein und Einfluss nehmen zu können, wurden Hannah Klemm und Tobias Lohse-Wagner vom Jugendforum für die Wahl zum Vorstand vorgeschlagen; Annemarie Lenzner und Sven Schmid, die zwei Jahre lang im Vorstand waren, traten nicht erneut an.

Den Vortrag "Gewaltfreiheit ausschließlich" hielt am Donnerstagabend Michael Nagler aus den USA. Der gelehrte und lebenskluge Michael Nagler hat sich in den letzten Jahren vorallem mit der Gründung und dem Aufbau der "Nonviolent Peaceforce" beschäftigt, und erklärte an diesem Abend sein Verständnis von "Gewaltfreiheit aus Prinzip" (s.a. www.michaelnagler.net).

Am Freitag morgen erzählten und erläuterten in einem Podiumsgespräch dann Christine Bergmann, Barbara Bürger, Rudolf Albrecht, Gottfried Arlt und Hans-Jürgen Fischbeck - mit Moderation von Volker Grotefeld - am Beispiel der DDR 1989 das Zustandekommen einer gelungenen, gewaltfreien Revolution. Hier zeigte sich - neben der Rückbesinnung der Älteren auf ein großes, friedliches Ereignis - die Chance für die Nachgewachsenen dieses Stück gewaltfreier Geschichte im eigenen Land kennen zu lernen.

Danach gehörte der Freitag ganz den insgesamt 10 Arbeitsgruppen. Der Freitagabend war den Mitgliedern des Versöhnungsbundes vorbehalten, die an vielen Stellen für die Sache der Gewaltfreiheit tätig sind und davon berichten wollten. Bei "Aktuelles aus der Entwicklungs- und Friedensarbeit" war von diesen vielfältigen Tätigkeiten zu erfahren. Der Abend schloss mit der offiziellen Verabschiedung von Uli Sonn in den Ruhestand nach 24 Jahren seiner Tätigkeit für den Versöhnungsbund. FreundInnen und WegbegleiterInnen hielten mit einer Fotopräsentation Rückschau und machten Uli Sonn mit Wunsch-Geschenken eine große Freude.

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Für den Samstagvormittag waren drei parallele Exkursionen geplant worden: Per Bus zum Ökodorf 7 Linden (www.oekodorf7linden.de), ebenfalls per Bus zum Zwischenlager Gorleben (www.bi-luechow-dannenberg.de) und per Autokolonne zur Bildungsstätte Kurve Wustrow (www.kurvewustrow.org). Fiel die Wahl auch schwer, so waren die TeilnehmerInnen nach ihrer jeweiligen Exkursion voll neuer Eindrücke und zufrieden.

Der Nachmittag stand dann wieder für die Arbeit in Diskussionskruppen zur Verfügung, deren thematische Inhalte den Versöhnungsbund fortlaufend bewegen (Friedenstheologie, Indischer Subkontinent, Gewaltverzicht und persönliches Handeln, Konflikt Israel/Palästina, Solidaritätsarbeit für den Sudan, Gewaltfreie Kommunikation, Erziehung ohne Strafe, Atomwaffen abrüsten sowie Gender und die Wahrnehmung von Unterschieden - eingereichte Protokolle sind wie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen in der VERSÖHNUNG dokumentiert).

Am frühen Samstagabend waren die TeilnehmerInnen zum Gottesdienst in die Klosterkirche in Arendsee eingeladen, vorbereitet und geleitet von Barbara und Eberhard Bürger - unseren Mitgliedern vor Ort. Außerdem bestand dabei die Möglichkeit dort die Ausstellung "Der gefährliche Schmied - Wendezeit in der DDR" aus Anlaß der Jahrestagung zu besichtigen.

Der spätere Samstagabend gehörte dem traditionellen Fest der Jahrestagung, dessen kulturelles Programm neben der Kinder-Theatergruppe um Icra Amad Ibrahim dieses Mal vom Kabarettisten Ingmar Jochem ausgefüllt wurde. Ein besonderer Dank für die Begleitung des Abends mit gemeinsamen Spielen und gemeinsamen Gesang ist Harald Riese zu schulden; er lockerte auch ansonsten die Tagung mit gemeinsamen Gesang und Bewegung immer wieder auf. Und während später im Kaminzimmer der Tag in geselliger Runde ausklang, bewegten sich im Saal alle Tanzbegeisterten zu Pop, Hip-Hop, Rock und Blues noch einmal richtig durch.

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Am Sonntag befasste sich der zweite Teil der Mitgliederversammlung mit den Vorstandswahlen und einigen Anträgen. Die Wahlen zum Vorsitz und Vorstand gingen wie folgt aus: Ullrich Hahn wurde erneut zum Vorsitzenden gewählt, in den neuen Vorstand wurden Miriam Klemm, Margit Kliesch, Christiane Lohse, Davorka Lovrekovic, Rudolf Albrecht, Dieter Hemminger sowie Hannah Klemm und Tobias Lohse-Wagner (auf einen gemeinsamen Sitz) gewählt. Den nach vier bzw. sechs Jahren Vorstandsarbeit ausgeschiedenen Mitgliedern Magdalene Ache-Klemm und Luzia Gündner sowie Hans-Hartwig Lenzner dankte die Mitgliederversammlung mit Applaus. Zwei Beschlüsse der Mitgliederversammlung seien hier erwähnt: Der Finanzplan 2008 wurde angenommen, der in der Hoffnung der Wiederholung der guten Entwicklung der Finanzen im Jahr 2007 fortgeschrieben wurde. Das dortige Plus von 5.700 Euro markiert eine Trendwende, ist aber vor allem einigen hohen Sonderspenden zu verdanken. Christiane Lohse als Schatzmeisterin im Vorstand machte daher darauf aufmerksam, dass die Finanzen weiterhin knapp sind und der Haushalt statt richtig Luft eher ein "Lüftchen" bekommen hat.

Mit dem zweiten zu erwähnenden Beschluss erhielt der Vorstand den Arbeitsauftrag, aus den Vorschlägen zum Thema des UNO-Jahres der Versöhnung 2009 eine ebenso erfolgreiche Tagung wie dieses Jahr vorzubereiten. Mit guten Worten Ullrich Hahns, einer guten Flasche Dekadenwein und einem guten Biokäse aus dem Schwarzwald wurde Thomas Nauerth und Markus Heper für ihre 10jährige, ehrenamtliche Tätigkeit als Redakteure der VERSÖHNUNG gedankt. Beide hatten sich den Wechsel und eine "Verjüngung" für die VERSÖHNUNG gewünscht. Und so übergaben sie ein Heft symbolisch an ihre Nachfolgerin Janine Jäck aus Dresden, die auf Dauer aber als neue Redaktion nicht alleine bleiben kann und auch nicht alleine bleiben möchte. Der besondere Dank richtete sich zum Schluss an Barbara und Eberhard Bürger für ihre Unterstützung vor Ort sowie an Holger Klee und Maria Elisabeth Scharinger aus der Geschäftsstelle für die gute, organisatorische Vorbereitung der Tagung.

Die Jahrestagung 2009 findet ausnahmsweise zu Fronleichnam vom 11. bis 14. Juni 2009 im Haus Venusberg in Bonn statt. Der Termin zu Christi Himmelfahrt ist von einem anderen Ereignis "besetzt", dem Ev. Kirchentag in Bremen (21. bis 24. Mai 2009), aus dessen Anlass der Versöhnungsbund wieder mehrere Tage mit einem eigenen Zentrum "Gewaltfrei Leben und Handeln" vor Ort sein wird

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