Die Jugoslawien-Kriege und die deutsche Politik - Gast: Andreas Zumach / SZ: Was von Dayton uebrig blieb / Friedensplan der GfbV

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Liebe Friedensinteressierte,

im Rahmen von Transparenz TV und der Sendereihe „Friedensfragen mit Clemens Ronnefeldt“ sende ich nachfolgend eine Inhaltsangabe und den Link zu folgender Sendung:

Mittwoch, 7. Juli 2021 - 20.30 Uhr Thema: Die Jugoslawien-Kriege und die deutsche Politik Gast: Andreas Zumach Andreas Zumach ist Journalist und Buchautor; von 1988 bis 2020 war er UNO-Korrespondent mit Sitz in Genf für die taz und andere Zeitungen, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland und in weiteren Ländern.

Den Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien 1991 bis zu dessen vorläufigem Ende 1999 hat er intensiv verfolgt, teilweise auch als Journalist vor Ort. Wie konnte es nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1989 und der Hoffnung auf eine neue Friedenszeit so schnell zu einem Krieg im ehemaligen Jugoslawien kommen, der von 1991 bis 1995 mit mehr als 100 000 Toten endete? Welche Rolle spielte die deutsche Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher? Die EU hatte am 27. August 1991 eine nach dem französischen Verfassungsrichter "Banditer" genannte "Banditer-Kommission" eingesetzt, um zu überprüfen, ob Teilrepubliken die Voraussetzungen der staatlichen Eigenständigkeit - z.B. den Schutz und die Respektierung von Minderheiten - erfüllen. Die damalige deutsche Regierung wartete nicht einmal das Ergebnis dieser Untersuchung ab, sondern preschte vor. Am 10. Dezember 1991 schrieb der damalige UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar an den deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher einen Brandbrief, in der er vor der vorzeitigen Anerkennung von Slowenien und Kroatien aus dem Staatenverbund Jugoslawien warnte. Warum hörte die deutsche Regierung nicht auf diese und andere Warnungen, z.B. des damaligen letzten deutschen Botschafters in Belgrad? Die Sendung wird die Entwicklung des Krieges von 1991 in Kroatien über den Kriegs-Beginn in Bosnien-Herzegowina 1992 bis zum Massaker von Srebrenica im Sommer 1995 thematisieren.

Premiere: 7. Juli 2021 - 20.30 Uhr mit Livechat und danach dauerhaft unter:

https://youtu.be/e8-96zGbXTQ

oder

https://www.facebook.com/friedensfragen/?modal=admin_todo_tour

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Weitere Informationen unter:

https://www.betterworld.info/human-rights/human-rights-country/europe/non-eu-countries/bosnia-and-herzegovina

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In Bosnien-Herzegowina droht ein neuer Krieg - wie der nachfolgende SZ-Artikel zeigt:

https://www.sueddeutsche.de/politik/bosnien-herzegowina-balkan-hoher-repraesentant-christian-schmidt-1.5316242

Diplomatie auf dem Balkan: Was von Dayton übrig blieb

9. Juni 2021, 13:26 Uhr

(…) "Seit Wochen wird auf dem Balkan erregt über ein sogenanntes Non-Paper diskutiert, das angeblich von einer Staatskanzlei lanciert wurde.

In dem Papier thematisiert: das große Grenzspiel, die Neuordnung des Balkans, die Zuordnung ganzer Landstriche per Gebietstausch.

Für die Mehrheit der Balkan-Experten birgt das Szenario, das auch von der Trump-Regierung kurzfristig verfolgt wurde, die Gefahr für einen neuen Krieg.“ (…)

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Im „Spiegel“ vom 25. Juni 1995 findet sich dieser Artikel zum Schwerpunkt der heutigen Transparenz TV-Sendung: Der deutschen Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien:

http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/9199049

Den darin erwähnten Briefwechsel insbesondere zwischen dem damaligen UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar und dem damaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher hat der der deutsche Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes in seinem Rundbrief 2/1996, Uetersen 1996, S. 8-11, dokumentiert:

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Kemal Kurspahić Washingtoner Korrespondent der in Sarajevo erscheinenden Tageszeitung Oslobodjenje, schrieb am 6.7.1994 in der taz:

https://taz.de/Die-schlechteste-aller-Optionen/!1554552/ Die schlechteste aller Optionen

(…) Alle bisherigen internationalen Vermittler im „Bosnien-Konflikt“ haben eine einfache Wahrheit verkannt: Der Druck zur Teilung des Landes ist die Quelle der bosnischen Tragödie und nicht deren Lösung.

Landkarten mit ethnisch „reinen“ Regionen haben seit Beginn der Krise nur dazu gedient, jeweils neue Runden des ethnic cleansing einzuläuten. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die jetzt neu gezeichneten Karten einen anderen Effekt haben werden. (…)

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Christian Schmidt, Außenpolitiker der CSU, Staatssekretär im Verteidigungsministerium und später Landwirtschaftsminister (2014 bis 2018), wird am 1. August 2021 Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina.

Ob es eine kluge Entscheidung ist, vor dem Hintergrund der deutschen Anerkennungspolitik, die den Krieg in Bosnien-Herzegowina 1992-1995 mitbefeuert hat, einen deutschen Politiker für dieses Amt zu benennen, darf bezweifelt werden.

Was jetzt notwendig wäre, ist die baldige Einberufung einer Dayton-II-Konferenz, die Einschaltung der OSZE und der Ausbau aller verfügbarer ziviler Friedensinstrumente, z.B. der Einsatz von zivilen Friedensfachkräften.

Hilfreich könnten auch die Vorschläge der "Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV) von 2005 werden:

https://www.gfbv.de/de/news/teilung-bosnien-herzegowina-ueberwinden-gesellschaft-fuer-bedrohte-voelker-fordert-verfassungsreform/

18.11.2005

Teilung Bosnien-Herzegowina überwinden!

Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Verfassungsreform

10. Jahrestag der Einigung über das Friedensabkommen von Dayton (21. November 1995)

(…)

Wir richten den folgenden Aufruf an den Präsidenten und die Regierung der Vereinigten Staaten, an die Regierungen der 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, an das Europäische Parlament, an den Europarat, sowie an die Vereinten Nationen:

Wir fordern Sie alle auf, dass Sie ohne Zögern jene Kräfte unterstützen, die sich im folgenden Sinn für die Erneuerung der Verfassung Bosnien-Herzegowinas einsetzen. Mit dieser Verfassungsänderung wird Bosnien Herzegowina endlich zu einem lebensfähigen Staat und Mitglied aller europäisch-atlantischen Strukturen.

1.) Mit dem Daytoner Vertrag wurden zwei willkürliche Entitäten geschaffen, nämlich die so genannte "Republika Srpska" und die so genannte "Bosnisch-Kroatische Föderation". Beide Teilstaaten müssen aufgelöst werden. Denn diese hat es in der Jahrhunderte alten Geschichte Bosnien-Herzegowinas nie gegeben.

Aus den von Radovan Karadzic und Ratko Mladic eroberten Regionen, der Hälfte des Territoriums, entstand die sogenannte "Republika Srpska", die bis heute mehrheitlich von den Parteien der Kriegsverbrecher regiert wird. Bisher sind nur fünf bis acht Prozent der 1992-1995 aus der so genannten "Republik Srpska" vertriebenen nichtserbischen Hälfte der Bevölkerung zurückgekehrt.

Alle Angaben internationaler Institutionen, des UNHCR und des Hohen Repräsentanten für Bosnien- Herzegowina über die Rückkehr von einer Million Flüchtlingen entstellen die Realität.

2.) Bosnien-Herzegowina muss zukünftig als demokratische, freiheitliche rechtsstaatliche Republik organisiert werden, bestehend aus Kantonen und Gemeinden mit einem Selbstverwaltungssystem. Dieses System muss sich an europäischen und nordamerikanischen Standards orientieren und in die Verfassung aufgenommen werden.

3.) Bosnien-Herzegowina muss nach demokratischen Prinzipien auf Gleichberechtigung aller seiner Bürger, gleich welcher religiöser Überzeugung oder ethnischer Zugehörigkeit, beruhen.

4.) Das diskriminierende bisherige Wahlgesetz muss geändert werden, damit die Gleichberechtigung aller seiner Bürger garantiert ist.

5.) Die bis heute geteilte Hauptstadt der Republik Bosnien-Herzegowina Sarajevo sollte wieder zusammengefügt und als ein gemeinsamer Hauptstadtdistrikt strukturiert werden.

6.) Die neue Verfassung muss der Gemeinde Srebrenica einen besonderen politischen und wirtschaftlichen Status garantieren. Die ehemalige UN-Schutzzone gilt heute als Schauplatz des furchtbarsten Massenmordes der europäischen Geschichte seit dem Holocaust. Die neue bosnische Verfassung muss deshalb deutlich die Besonderheit des Gebietes der Gemeinde

Srebrenica definieren und somit vor aller Welt demonstrieren, dass die Überlebenden des Genozids beschützt und ihre Stadt mit den zugehörigen 59 Dörfern wiederaufgebaut und entwickelt werden.

7.) Sollten die in der serbisch kontrollierten Hälfte Bosniens dominierenden Gefolgsleute von Radovan Karadzic Bosnien-Herzegowina diesen Weg in die Zukunft versperren, muss die Daytonverfassung aufgehoben und die Verfassung der demokratischen Republik Bosnien-Herzegowinas von 1991 wieder eingeführt werden.

Liste der Unterzeichner (…)