am sechsten august
um acht uhr fünfzehn und
wenige bruchteile von sekunden später
verdampfte ich
wurde ich aufgelöst
in hitze
verbrannte alles von mir im nu
die energie
die auf der sonne zu hause ist
wurde an mir ausprobiert
und an meinem wellensittich
meiner mutter
mit meinem geschwisterchen in ihrem bauch
zum kaum sichtbaren schemen vorm haus wurde ich
kurz zuvor
hatte ich ein einzelnes flugzeug gesehen
und dann einen blitz
wie ich ihn nie mehr sehen werde
und keinem wünsche ihn jemals zu sehen
denn danach
verdampfte ich
aufgelöst alles was ich bin und war
zu weniger als gas
und mit mir alle meine freunde und nachbarn
mich gibt’s nicht mehr
noch nicht mal eine erinnerung von mir gibt es
denn alle, die mich hier kannten
sind mit mir nicht mehr
wir sind alle verdampft
dabei wurden wir von denen beneidet
die überlebten
deren leib sich langsamer auflöste als bei mir
zerstört von einer kraft
entfesselt von einem menschen
ausgeführt von einem soldaten
befohlen von vielleicht auch einem vater
erdacht geplant und in die tat
umgesetzt von solchen
die ich nicht kenne
und nicht kennenlernen werde
denn ich bin
verdampft worden
Dieses Gedicht wurde während der Fastenaktion 2015 an Werktagen morgens am Verteilerkreis vor dem Haupttor zum Atomwaffenlager in Büchel verteilt.
Copyright by Matthias-W. Engelke, zum Nachruck freigegeben. Belegexemplare bitte an matthias.engelke@ekir.de
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Hiroshima 2015_Prosa-Gedicht.pdf | 38.62 KB |