Wer spricht für Atomwaffen? Zum Totschweigen

Gespeichert von Matthias-W Engelke am

4. August 2012, Samstag – mein zweiter Fastentag

6.30 Uhr gerade läuteten die Morgenglocken
Der erste Morgen vor dem Atomwaffenlager.
Die Zelte blieben stehen und wir selbst unbehelligt. Einer von uns hat schlicht seinen Wagen ins Veranstaltungszelt gestellt und die Nacht dort zugebracht. Sah nicht schlecht aus!
Die Friedhofskerzen, die wir zum Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima gestern Nacht angezündet hatten, haben wir vorsorglich mit in unsere Zelte gebracht und dann ausgemacht. Gerade habe ich sie wieder an die Einfahrt gestellt.

Auch die Stromversorgung funktioniert dank eines Sonnenpanels. Die Internetverbindung lässt zu wünschen übrig – wir müssen halt Erfahrungen sammeln.
Mitten in der Nacht, gegen 2.45 Uhr ziemlicher Verkehr. Irgendein Schichtwechsel. Ich erinnere mich, dass ich das auch in den letzten beiden Jahren erlebt hatte, dem aber noch nicht nach gegangen bin.

8.38 Uhr zu Siebt die Andacht um 8.15 Uhr gefeiert – und wieder fünf Friedhofskerzen angezündet und dabei die Namen von weiteren Opfern aus Hiroshima gelesen. Leider bin ich noch nicht an die Namensliste der Opfer aus Nagasaki gekommen.

15.54 Uhr
Gleich soll die Bürgerdiskussionsrunde beginnen: „Diskussionsrunde von Bürgern unter Bürgern: Pro und Contra Atomwaffen“ – Moderation Ingo Köhler. Wir sitzen zu acht in der Runde.
Im Lokalteil der Tageszeitung und in den Verbandsmitteilungen wurde ausführlich auf diese Veranstaltung hingewiesen.

Ingo Köhler begrüßt pünktlich die Anwesenden. Als Moderator wolle er sich während der Diskussion zurückhalten.
Es hat sich offenbar keiner eingestellt, der für die Atomwaffen Position bezieht.
Ich schlage vor, dass Argumente für die Atomwaffen gesammelt werden und Argumente untersucht werden, die sich damit auseinander setzen. Ich versuche die Argumente festzuhalten:

PRO ATOMWAFFEN: Das Abziehen und die Entsorgung der Atomwaffen würde uns teurer kommen als sie hierzulassen.

aber: Da Deutschland nicht Eigentümer der Atomwaffen ist, müssten für den Kosten die USA aufkommen.

PRO ATOMWAFFEN: Angst der Menschen in der Region: Wenn die Atomwaffen abziehen, wird der Fliegerhorst geschlossen. Es sind ca. 800 Zivilbeschäftigte und ca. 1.200 Bundeswehrangehörige, die hier arbeiten. Die Zulieferer würden enorme Einbußen erleiden.

aber: - Die Bundeswehrsoldaten würden woanders eingesetzt werden.
- Bleibe nicht der Standort erhalten, wenn die Atombomben abzögen? Durch die Bundeswehrreform ist diese Chance für Büchel vertan worden. Eurofigher werden nicht in Büchel stationiert, weil hier an der Nuklearen Teilhabe festgehalten wurde. Bis 2025 – dann endet die Laufzeit der Tornados – ist der Standort, wie es heißt, gesichert; keiner spricht von einer Zeit danach. Offenbar lagen wir mit der Argumentation richtig, dass der Abzug der Atomwaffen den Standort gesichert hätte.
- Die Kosten, die die Lagerung etc. der Atomwaffen jährlich kosten – etwa 250 Millionen Euro – würden, in eine Strukturreform gesteckt, der Region viel mehr nützen. Dieser Betrag beinhaltet auch die Kosten, die Deutschland den USA für die Lagerung und Sicherung zahlt. Das müsste überprüft werden, wer kennt die genauen Hintergründe und Zahlen?
- Eigentlich ist für die Amerikaner der Nutzen zu gering.
- In Bitburg, wo zuvor ca. 600 zivile Arbeitsplätze waren, sind nach der Konversion ca. 2.500 Arbeitsplätze entstanden. Dort ist ein Industriepark entstanden.
In Trier waren zuvor ca. 10.000 französische Soldaten und entsprechend viele Zivilangestellte beschäftigt gewesen. Nach dem Abzug der Franzosen ist in Trier – anders als behauptet wurde – nicht das Licht ausgegangen.
Dagegen hat Idar-Oberstein etwas nach dem Rückgang der US-Soldaten keinen neuen Aufschwung gefunden. Vielleicht liegt der Unterschied darin, ob Militärs ganz abgezogen wird oder nicht.
In Ulmen waren bei der Bundeswehreinrichtung ca. 200 Zivile angestellt, z. Z. sind dort ca. 1000!

PRO ATOMWAFFEN: Atomwaffen dienen der Abschreckung

aber: Das scheint das Hauptargument zu sein. Es wird auch die Bedrohung genannt die  Nordkorea und unterstellterweise Iran darstellen.

Israel hat Atomwaffen,  um abzuschrecken. Es hat offenbar funktioniert.

Es gibt eine Logik des Schreckens. Haben die Atomwaffen den europäischen konventionellen Krieg nicht verhindert? Der Warschauer Pakt hat den Einsatz von Atomwaffen vorgesehen, genau so auch die NATO-Truppen. Die Waffen in Büchel haben jedoch kein Abschreckungspotential. Gegen Nordkorea oder China schrecken die Bücheler Atomwaffen nicht ab.

Auf der anderen Seite: Das Abschreckungsdenken sichert keinen Frieden, da es ein unendliches Vertrauen in die Vernünftigkeit der Menschen voraussetzt, die zudem immer fehlerfrei ist. Die Atomkatastrophen in Harrisburg, Tschernobyl und Jülich sind furchtbare Widerlegungen.

Wenn Atomwaffen den Frieden sichern würden, müsste man folgern, dass überall alle Staaten Atomwaffen haben müssten. Das fordert kein Mensch.

PRO ATOMWAFFEN: „Bis jetzt haben sie uns den Frieden gerettet.“

aber: Deutschland ist nicht im Frieden. Deutschland führt Krieg. Die Atomwaffen haben diese Kriege nicht verhindert. Wenn gemeint ist, dass in Deutschland Menschen nicht Opfer von Kriegen werden, dann gibt es zwei Arten von Krieg, solcher, der andere schädigt, und der das eigene Land schädigt.
Und sind deutsche Soldaten, die in Afghanistan umkommen nicht als Deutsche zu Schaden gekommen?

PRO ATOMWAFFEN: Die Atomwaffen hätten uns den Frieden im Kalten Krieg gesichert.

aber: Es hat so viele Krisen gegeben, an denen es nur knapp nicht zu einem Einsatz von Atomwaffen gekommen ist, dass es oft einfach Glück oder auch Gnade war, dass es nicht dazu kam.

PRO ATOMWAFFEN: Wenn es keine Atomwaffen gibt, verlieren Firmen lukrative Gewinne.

aber: Es sind Steuergelder, die hier verwendet werden. Es gilt wie bei aller Rüstung: Da es Steuermittel sind, die die Atomwaffen ermöglichen, die nicht auf dem normalen Mark erwirtschaftet werden sondern Gelder der Bürger sind, werden diese Gelder dem normalen wirtschaftlichen Kreislauf entzogen und dadurch die Wirtschaft eines Landes geschädigt.

PRO ATOMWAFFEN: Es gibt Verträge, die die Lagerung der Atomwaffen in Deutschland bedingen.

aber: Die gegenwärtige Verträge können durch neue verändert werden- s. Griechenland, die die US-Atomwaffen haben abziehen lassen.
Es gibt Verträge im Zusammenhang mit den Atomwaffen, die wurden von Anfang an nicht eingehalten, wie der Nichtverbreitungsvertrag.

Zumal – in der Argumentation der NATO – die französischen und englischen Atomwaffen Deutschland schützen würden.

PRO ATOMWAFFEN: Ohne Waffen würde kein Staat sicher sein.

aber: Warum lagert alle Welt ihre Gelder in der Schweiz? Sie haben sich aus allen Kriegen herausgehalten und das hat ihnen offenbar gut getan. Hitler hatte jedoch geplant die Schweiz nach dem erfolgreichen Afrikafeldzug auf dem Rückzug kassieren, „Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, hol‘n wir auf dem Rückzug heim“.

Costa Rica hat keine eigene Armee, es hat ein Schutzabkommen mit den USA, aber der Verzicht auf eine Armee hat den Staat davor geschützt, dass es eine Militärdiktatur hatte. Auch Japan hat jahrelang keine eigen Armee gehabt, ohne dass es dem Land deswegen schlecht ging. Im Gegenteil, der Wirtschaftsaufschwung ist wesentlich dadurch ermöglicht worden, dass nicht in Rüstung investiert wurde.

Auch Deutschland hatte keine Armee, von 1945 – 1956 und ihm ging es nicht schlecht.

Die Kosten, die die US-Kriege der amerikanischen Gesellschaft selber erzeugen, werden allmählich sichtbar.

PRO ATOMWAFFEN: Es hat noch kein Staat freiwillig auf Atomwaffen verzichtet.

aber: Griechenland hat beschlossen, dass die amerikanischen Atomwaffen abgezogen wurden; Südafrika hat auf den Besitz von Atomwaffen verzichtet, die mit Hilfe Israels und deutscher Industrie entwickelt wurden.


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FAZIT: Leider ist keiner gekommen, der oder die offen für Atomwaffen Stellung beziehen.
Ob es Befürworter gibt, wissen wir nicht, wenn, dann sind sie leider unserer Einladung nicht gefolgt.

Hat die zweite Phase in dieser Auseinandersetzung in der Friedensarbeit angefangen? Bertha von Suttner wird nachgesagt, sie habe ihre Erfahrungen so zusammen gefasst: Am Anfang werden wir für verrückt erklärt, dann schweigt man uns tot und schließlich wird behauptet, „das haben wir schon immer gesagt!“

IDEE im Nachgespräch:
Eine ökumenische Andacht, zu der die evangelische und katholische Pfarrerschaft eingeladen und bewegt wird, in großer Zahl teilzunehmen: das allein würde schon viel bewegen!
Möglicher Termin: Der 1. Septembe 2013 – es ist ein Sonntag. Ein guter Termin?
Zum Buß- und Bettag? Da sind die meisten in ihrer Gemeinde im Dienst.
Wann explodierte die allererste Atombombe, die in der Wüste von New Mexiko?